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(Neu) Gespielte Spiele im Dezember 2021

Das Jahr 2021 ist vorbei und bot spielerisch wenig Neues, aber immerhin ein bisschen. Spielerische Vorsätze für 2022? Nein, das kommt, wie es kommt.

Now or Never (Red Raven Games, 2021)

„Now or Never“ ist das dritte Spiel von Ryan Laukat in der Arzium-Reihe, welche auch noch „Oben und Unten“ und „Nah und Fern“ umfasst. Die Hintergrundgeschichte ist einfach: Vor 20 Jahren schlug ein Meteorit in einem kleinen Dorf namens „Monument“ ein. Aus dem Meteorit kletterten Monster und vertrieben alle Bewohner. Jetzt, 20 Jahre später, werden die Monster schwächer und wir wollen das Dorf „Monument“ wieder aufbauen. Hierfür heuern wir Spezialisten an, die das Dorf aufbauen, reisen durch die Welt und erleben Abenteuer. Und natürlich kämpfen wir gegen Monster, um die Dorfbewohner zu befreien, die danach in unserem neu aufgebauten Dorf angesiedelt werden. „Now or Never“ stellt eine interessante Mischung aus Eurogame und Abenteuerspiel dar. Hierfür gibt es sogar zwei Spielmodi: Während der Standardmodus eher die Planer und Optimierer anspricht, ist der Story-Modus eher für Rollenspieler interessant, die mehr über die Welt und die Charaktere erfahren wollen. Ich habe auf Tabletopia den Standardmodus getestet (da der Storymodus dort nicht implementiert ist).

„Now or Never“ geht (im Standardmodus) sechs Runden („Seasons“ genannt), in welcher wir reihum Aktionen durchführen, bis alle gepasst haben. Es gibt zwei Arten von Aktionen: Entweder bewege ich meinen Helden auf der Weltkarte und agiere mit dieser oder ich nutze die Fähigkeit eines Spezialisten. Die Heldenbewegung kann ich dabei nur dreimal pro Runde vornehmen. Nach den Bewegung kann ich je nach Standort entweder Suchen (falls ein Suchplättchen ausliegt), ein Monster bekämpfen oder den Ort selbst nutzen. Die Nutzung einer Ortsaktion gibt mir ganz verschiedene Dinge. Meist tausche ich etwas gegen etwas anderes ein. Dabei kann es aber schon sein, dass ich auch mit Lebenspunkten bezahlen muss, um Geld zu erhalten. Wenn es ein spezieller, benamter Ort ist und ich eine entsprechende Abenteuerkarte auf der Hand habe, kann ich diese vorher noch ausspielen. Diese Karten bringen mir manchmal Ressourcen oder Siegpunkte am Spielende, manchmal aber auch dauerhafte Boni. Der Kampf gegen ein Monster ist recht simpel: Das Monster hat Lebenspunkt und Angriffsstärke. Ich würfel mit einem W4, der zufällig bestimmt, mit welchem meiner vier Waffen/Zauber ich angreife. Diese können im Laufe des Spiels ersetzt oder aufgelevelt werden, was auch notwendig ist, um gegen die stärkeren Monster auf der Karte eine Chance zu haben. Mein Angriff macht Schaden beim Monster, dann schlägt das Monster zurück und ich erhalte Schaden. Das wird wiederholt, bis ich das Monster besiegt habe, das Monster mich besiegt hat oder ich mich aus dem Kampf zurückziehe. Als Belohnung im Kampf winken mir Erfahrungspunkte und wichtiger noch gerettete Dorfbewohner, die ich bei mir ansiedeln will.

Dies führt dann zu den Spezialisten: Vier Stück kann ich davon gleichzeitig haben. Ich kann einen meiner Spezialisten nutzen (was Geld kostet), einen Spezialisten einer anderen Spielerin nutzen (was mich Geld kostet, das wiederum der andere teilweise erhält) oder einen neuen Spezialisten anheuern (was mehr Geld kostet) und gleich dessen Dienste in Anspruch nehmen. Die Spezialisten können mich heilen, geben mir Erfahrungspunkte und Ressourcen und, ganz wichtig, bauen Gebäude in mein Dorf. Hierfür stehen allen Spielerinnen die gleichen Gebäude in einem 5x4-Raster zur Verfügung, die aber bei allen zufällig angeordnet sind. Bauen darf ich erstmals nur vom Rand und danach nur von einem leeren Platz aus angrenzend, weswegen ich mir mein erstes Gebäude gut überlegen sollte. Mein Dorf besteht aus einem 4x4-Raster; ich kann also nicht alle Gebäude bauen. Das erste Gebäude muss in die unterste Reihe gebaut werden, danach immer angrenzend zu bestehenden Gebäuden. Wieso baue ich überhaupt Gebäude? Zum einen bringen mir diese am Rundenende Ressourcen oder am Spielende Siegpunkte, zum anderen kann jedes Gebäude einen Dorfbewohner beherbergen, die dann – und erst dann – für mich arbeiten und am Rundenende eine Ressource produzieren. Die Produktion aller Gebäude und beherbergter Dorfbewohner am Rundenende ist wichtig, denn nur dadurch erhalte ich Ressourcen, die ich auf dem Markt nach festen Vorgaben jederzeit verkaufen darf. Und das Geld davon benötige ich dringend, um meine Spezialisten zu bezahlen oder neue Gebäude zu bauen. Die wiederum brauche ich, um vor Monstern gerettete Dorfbewohner unterzubringen. Und das mache ich, um Ressourcen in der Produktion zu erhalten. So schließt sich der Kreis.

Das Spiel endet nach sechs Runden. Ein schöner Kniff: Vor der finalen Produktion verlieren aber die Spielerinnen alle Ressourcen und Geld, die sie bisher gehortet hatten. Es wird noch einmal produziert und auf dem Markt gegen Geld respektive Siegpunkte getauscht. Weitere Siegpunkte gibt es für volle Häuserreihen im eigenen Dorf oder unterschiedliche Dorfbewohner. Und auch die erfüllten Abenteuerkarten können ordentlich Siegpunkte abwerfen. Und wie üblich gewinnt die Spielerin mit den meisten Siegpunkten.

Anhand der immer noch kurzen Beschreibung (das Regelheft umfasst in Summe 28 Seiten) sieht man, dass „Now or Never“ das komplexeste der drei Arzium-Titel ist. War „Oben und Unten“ sehr gut mit jüngeren Kindern spielbar, „Nah und Fern“ dann eher mit älteren Kindern, würde ich „Now or Never“ eher im Kennerspielbereich ansiedeln. Die einzelnen Aktionen sind zwar nicht sehr kompliziert zu erfassen, das Zusammenspiel von Monstern, Dorfbewohnern, Spezialisten, Gebäuden und Abenteuerkarten erfordert aber schon Einiges an Denkarbeit, um effizient zu spielen. Die komplette und ausführliche Erklärung des Spiels hat deswegen bei mir 40 Minuten gedauert. Nach der Regellektüre war ich auch etwas überwältigt, bereits in der ersten Partie merkte ich aber, dass alles sehr gut und recht logisch zusammenspielt. Durch den Wegfall der Story-Elemente im Standardmodus fühle ich mich als Eurogamer auch viel mehr angesprochen. Ich fand „Oben und Unten“ nett, aber sehr tiefgründig waren die Geschichten nicht. „Nah und Fern“ machte das etwas besser, aber dennoch waren die Story-Elemente für mich eher Beiwerk. Daher finde ich es gut, dass Ryan Laukat jetzt zwei getrennte Modi entwickelt hat, sodass sich jeder genau das Spiel heraussuchen kann, das er spielen möchte. Dennoch eine kleine Warnung: Trotz Eurogame-Elementen lässt sich das Spiel nicht komplett durchplanen. Allein der Würfelwurf beim Kampf und beim Suchen (ich nehme zufällig 1-4 Schaden) lässt das Spiel nicht komplett berechenbar sein.

Als ich die Regeln las, staunte ich nicht schlecht über die Vielfalt: Aktionswahl über eigene und fremde Spezialisten, Plättchenlegen beim Gebäudebau, Produktion über Gebäude und Dorfbewohner, „Charakter“entwicklung über teilweise charakterspezifische Ausrüstungsgegenstände, Rasterbewegung auf der Karte, Kämpfe gegen Monster und ein bisschen Story-Aspekte durch die Abenteuerkarten. Nach drei Partien (zweimal solo, einmal zu zweit) kann ich aber sagen, dass „Now or Never“ im Kern etwas ist, was ich anfangs nicht erkannte, nämlich ein Engine-Builder. Zwar kann ich auf verschiedene Arten Siegpunkte im Spiel machen, es führt aber kein Weg daran vorbei, eine gute Produktion aus Gebäuden und Dorfbewohnern aufzubauen, die mir Ressourcen bringen, die ich dann in Geld wandeln muss, um mir damit neue Gebäude, Ausrüstung und Spezialisten zu besorgen, die dann wiederum dafür sorgen, dass ich Kämpfe gewinne, neue Dorfbewohner erhalte und somit noch mehr produzieren kann. Wenn man das im Übrigen wie ich nicht gleich erkennt, kann das mitunter frustrierend sein, da der Fluss des Spiels oft sehr ähnlich abläuft. In der ersten Runde baue ich ein oder sogar Gebäude und kann auch ein oder zwei Dorfbewohner ansiedeln. Deren Produktion reicht aber oft nicht aus, um in der zweiten und dritten Runde viel mehr zu aufzubauen. Erst ab Runde vier nimmt die Engine wirklich Fahrt auf, wenn die Produktion so viel Ressourcen/Geld abwirft, dass ich mir pro Runde mehrere Gebäude leisten kann und durch die stärkeren Monster auch mehr Dorfbewohner erhalte. Ohne Vorerfahrung ist dies in Runde 2 aber sehr frustrierend. So fragte ich mich auch, wie ich das Geld je zusammenbekommen soll, um 16 Gebäude zu bauen oder vier Spezialisten anzuheuern. Von den geforderten 100 Siegpunkten im Solo-Spiel ganz zu schweigen. Umso erstaunter war ich, dass ich in den letzten beiden Solo-Runden alle vier eigenen Spezialisten nutzte (eigentlich sogar noch mehr durch Zukauf neuer Spezialisten), die oberste Gebäudereihe erklomm und das Spiel mit 136 bzw. 113 Siegpunkte über der geforderten Marke beendete. Ich gebe zu, dass diese Lernkurve – wenn auch anfangs frustrierend – am Ende sehr befriedigend war. Auf der anderen Seite war es aber auch unbefriedigend gleich in der ersten Solo-Partie die Zielmarke zu reißen. Da ist der Anreiz auf eine weitere Runde mit einer reinen Steigerung der Punktzahl eher gering.

Das Thema des Spiels kommt so einigermaßen zur Geltung. Wie so oft passierte es mir als Eurogamer aber, dass ich die Gebäude, die Spezialisten, die Dorfbewohner und die Monster auf ihre Symbole reduzierte. Es war mir leider egal, wie die Dorfbewohner aussehen, Hauptsache sie produzieren die richtigen Ressourcen. Das war bei „Oben und Unten“ anders, da bekam jeder Dorfbewohner einen Namen und eine Hintergrundgeschichte von mir verpasst. Das wäre mir bei „Now or Never“ aber auch etwas zu viel des Guten gewesen. Unter Umständen kommt dieser Aspekt im Story-Modus aber besser zum Tragen. Einzig die Abenteuerkarten versprühten etwas mehr Thema, da ich dort immerhin den Kartentitel und den Ort (der ja bestimmt, wo ich die Karte ausspielen darf) las und mir die Grafik genauer anschaute. Grafisch hält das Spiel auch, was Ryan Laukat verspricht. Gefühlt wirkt die Karte, die Orte und die Personen etwas erwachsener, kantiger und dunkler. Mir gefällt der Grafikstil aber sehr gut. Vor allem passt die Karte auch sehr gut zur Hintergrundgeschichte, sodass sich beispielsweise um die Einschlagsstelle des Kristallmeteoriten stärkere Monster tummeln. Auch die Symbolik ist gut und leicht verständlich. Einzig beim Spezialisten-Symbol für den Kauf von Ausrüstungsgegenständen musste mir eine Mitspielerin erklären, dass dies ein Rucksack darstellen soll. Die Rückseite der Weltkarte zeigt die „Unterwelt“ als Variante, die bis auf leicht andere Belohnungen und drei ausgetauschte Monstertypen sich aber sonst identisch spielt. Die Symbolik und die Gestaltung der Karte ist auch so gut, dass ich kaum etwas in der Regel nachschlagen musste. Ein, zwei Dinge hätten zwar noch auf das Spielbrett beziehungsweise dem Rundentableau Platz gehabt oder hätten Erwähnung finden können, aber in Summe passte das schon. (Mir fehlte beispielsweise der Hinweis auf der Karte , dass ich beim Betreten von Gebirge einen Lebenspunkt verliere oder dass die Dorfbewohner-Auslage erst aufgefüllt wird, wenn sie leer ist – im Gegensatz zu den Spezialisten und Ausrüstungsgegenständen.) Auch die Regel liest sich sehr gut und verständlich. In meinen Partien blieben bis auf eine wenige Kleinigkeiten keine Regelfragen offen.

Now or Never – Spielertableau
Now or Never – Spielertableau

Der Automa als simulierter, zweiter Spieler fühlt sich ganz gut an. Durch ein Kartendeck wird jeden Zug entschieden, welche Aktion der Automa durchführt. Dabei sammelt der Automa aber kein Geld oder Ressourcen, er ist einzig dafür da, um Suchplättchen, Monster, Dorfbewohner, Aufträge, Ausrüstung und Abenteuerkarten aus dem Spiel zu nehmen und seine eigenen und meine Spezialisten zu erschöpfen. Vor allem das Erschöpfen meiner eigenen Spezialisten war mitunter eine schöne taktische Hoffnung, da ich dann Geld bekam, welches ich mitunter wieder sinnvoll einsetzen konnte. Und auch durch die Wegnahme der Dorfbewohner nach einer bestimmten Reihenfolge kam mir der Automa das eine oder andere Mal in die Quere. In der zweiten Partie gelang ich deswegen gerade einmal an einzigen Dorfbewohner mit Kristall, weswegen ich einige Punkte nicht erhielt. Ansonsten haben mich seine Aktionen aber wenig tangiert, vor allem ob irgendwelche Monster, Spezialisten oder Suchplättchen verschwinden, war mir ziemlich egal, da es genügend Alternativen gab. Die Spieldauer gegen den Automa lag in den zwei Partien bei 100-120 Minuten, wobei ein großer Teil der Zeit für die Navigation in Tabletopia veranschlagt wurde. Zum einen gibt es viele Token zum Bewegen, zum anderen ist das Spielbrett mit eigenem Tableau sehr groß, sodass viel Scrollarbeit angesagt war. Der Automa simuliert das Spiel zu zweit aber sehr gut, wie ich dann in der Zwei-Personen-Partie merken musste. Es war schade, aber auch hier interessierte es mich eher wenig, was meine Mitspielerin machte. Die Karte ist zu zweit auch groß genug und es gibt genügend Monster, sodass man sich nicht in die Quere kommt. Abenteuerkarten und Aufträge werden sowieso zufällig gezogen. Selbst der interaktive Aspekt, dass ich bei meiner Mitspielerin einen Spezialisten mit nutze, kam nicht zum Tragen, da sie keine (für mich sinnvollen) Spezialisten anheuerte, die ich nutzen wollte. Unter Umständen ändert sich das Spiel aber, wenn man zu viert über die Karte wuselt.

Zum Spielgefühl habe ich oben schon Einiges geschrieben, nach einer guten ersten Runde, wich in Runde 2 die Motivation der Frustration, um dann von Runde zu Runde wieder zu steigen, um am Ende ungläubig die Punkte zu zählen. Strategisch muss ich aufgrund der Zusammenhänge von allem etwas machen, dominiert hat aber der Dorfausbau. Dieser ist auch der zentrale Mechanismus, ohne den es im Spiel nicht vorwärts geht. Das ist in meinen Augen im Standardmodus aber völlig okay, im Storymodus könnte es vielleicht störend wirken. Was mir ab der nicht so guten Runde 2 geholfen hat, war ein gezogenes Auftragsplättchen. Damit hatte ich dann ein Ziel vor Augen, welche Ressourcen ich benötige. Dies hat mir am Anfang des Spiels gefehlt, da ich einfach alles machen kann und es keine Vorgabe gibt, was denn sinnvoll ist. Das Problem sah ich dann auch bei meiner Mitspielerin in der Zwei-Personen-Partie, da sie nicht wusste, was sie überhaupt tun soll. Diesen Weg muss man sich also erst selbst erarbeiten. Einzig durch die Abenteuerkarten gibt es bestimmte Ziele auf der Karte, die ich im Laufe des Spiels ansteuern möchte. Einige davon sind aber aufgrund der Bedingungen und verlangten Ressourcen erst viel später im Spiel anwendbar. Die Suche empfand ich anfangs sehr unattraktiv, da ich darüber 1-4 Lebenspunkte zufällig verliere, und nicht weiß, was ich erhalte. Hierfür eine von drei Heldenbewegungen auszugeben kam mir nicht lukrativ vor. In der zweiten Solopartie merkte ich aber, dass mir die Belohnung der Suche doch das ein oder andere Mal geholfen hätten.

Variabilität erhält das Spiel hauptsächlich durch den zufälligen Aufbau der Gebäude und der Charaktere. Diese spielten sich aber trotz ihrer Unterschiede in Laufgeschwindigkeit, Angriffsstärke, Ausrüstungsgegenstände, Mana-Poolgröße und Sonderfähigkeit doch sehr ähnlich. Vermutlich liegt das daran, dass das Spiel sehr stark vorgibt, was zu tun ist (Gebäudebau für Dorfbewohner, Ausrüstung für starke Monster, Dorfbewohner für Produktion). Zumindest habe ich in meinen drei Partien wenig Möglichkeiten erkannt, von diesem Schema abzuweichen. Die zufällige Verteilung bzw. Auslage von Auftragsplättchen, Abenteuerkarten, Suchplättchen, Ausrüstungsgegenständen, Dorfbewohnern und Spezialisten erzeugte dagegen bei mir keine Variabilität. Ich musste halt damit leben, was kam, was einige Möglichkeiten einschränkte, aber keine Alternativ-Strategien erzeugte. Insofern spielt sich eine Partie immer sehr ähnlich, was bei einer Partie pro Monat aber auch kein Problem darstellt.

Die 100-120 Minuten Spielzeit im Solomodus waren etwas lang, es handelte sich aber auch um die ersten zwei Partien und um Tabletopia. In der Realität denke ich, dass ich die Solo-Spielzeit sicherlich auf 80-90 Minuten verringern könnte. Die offizielle Spielzeit wird dagegen mit 45 Minuten pro Spielerin angegeben, was ich etwas schade finde, da ich noch nicht weiß, ob das Spiel tatsächlich 180 Minuten bei vier Spielerinnen trägt. Unser Zwei-Personen-Partie dauert dann – erneut aufgrund Erstpartie bei einer Spielerin und Tabletopia-Umsetzung – aber auch länger als die angegeben 90 Minuten. Nach den 40 Minuten Erklärung spielten wir 120 Minuten – und unterbrachen dann die Partie mitten in der fünften Runde. Eine Woche später folgt die Fortsetzung und in Summe spielten wir ca. 180 Minuten. Dabei gingen die ersten Runden noch sehr flott, da wir nur 3-4 Aktionen ausführen konnten. In den letzten zwei Runden sind es dann aber schon 8-9 Aktionen, was die Spielzeit natürlich vor allem im späteren Spielverlauf entsprechend erhöht. Zusätzlich versuchten wir in der letzten Runde noch einmal alles zu optimieren, damit möglichst viele Ressourcen/Geld in der letzten Produktion entstehen. Jedenfalls sind 180 Minuten definitiv zu lang und ich weiß nicht, ob das Spiel mit genügend Erfahrung und am realen Tisch tatsächlich in 90 Minuten spielbar ist. Im Storymodus soll eine Partie noch etwas mehr Zeit beanspruchen. Auch die Aufbauzeit, die digital dankenswerterweise entfällt, ist bei „Now or Never“ nicht ohne. Bei vier Spielen die 20 Gebäude zu mischen und in einem Raster auszulegen, sowie die Auslage von Abenteuerkarten, Auftragsplättchen, Ausrüstungsgegenständen, Dorfbewohnern und Spezialisten erfordert einiges an Zeit. Auf Englisch würde ich mir das Spiel sowieso nicht kaufen, da die Abenteuerkarten etwas Text enthalten und ich bei solchen Spielen Deutsch bevorzuge. Das restliche Spielmaterial ist bis auf einige Gebäude mit wenigen Worten und die Bezeichnung der Ausrüstung sprachneutral. Vor allem den Storymodus mit seinen Geschichten würde ich in einer deutsche Version bevorzugen.

In Summe hat mir „Now or Never“ trotz der Spielzeit ziemlich gut gefallen. Der Storymodus wurde ausgelagert und „stört“ den Eurogamer im Standardspiel nicht mehr. Ob der Storymodus analog dazu die immersiven Rollenspielgefühle befriedigen kann, kann ich aber nicht sagen, da ich diesen nicht gespielt habe. Sollte dieser aber irgendwann einmal auf Deutsch auf dem Tisch landen, bin ich bei einer Partie dabei. Und den Standardmodus spiele ich auf alle Fälle sehr gerne wieder mit, in der Hoffnung, dass sich die Spielzeit dann etwas verringert. Für mich ist „Now or Never“ der bisher beste Teil der Arzium-Reihe. (9,0)

Now or Never
Now or Never

Wertung: (9,0)

#NoworNever

Winter der Toten (Heidelberger, 2015)

„Fünf Jahre ist es nun her. Fünf sehr unschöne Jahre. Das Virus greift weiter um sich. Und nur wer sich völlig abschottet, wird diesen elenden Winter überleben. Wir haben uns verbarrikadiert und auf das Klopfen an der Tür reagieren wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich weiß nicht, wie lange ich dies noch aushalten kann. Aber ich habe gehört, es gibt eine Heilung. Oder zumindest ein Mittel, was diesen ganzen Irrsinn eindämmen kann. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder ungestört und befreit vor die Tür treten kann.“ – So in etwa lautete die Einführung unseres Szenarios von „Winter der Toten“ (Nein, tat sie nicht.) Tatsächlich ist es exakt fünf Jahre her, dass ich „Winter der Toten“ zuletzt gespielt hatte. Und nach der Partie fragte ich mich, wieso eigentlich.

In „Winter der Toten“ leben wir verbarrikadiert in einer Kolonie, die sich von der Außenwelt abgeschottet hat. Ein Winter zerrt an den Kräften und die Zombies vor den Toren wollen nichts Gutes. Jeder von uns kontrolliert eine kleine Gruppe von anfangs zwei Überlebenden. Zu Beginn eines Tages/Runde würfelt jeder eine Handvoll Würfel. Mit diesen kann ich bestimmte Aktionen ausführen, wie beispielsweise Barrikaden bauen, Zombies töten oder Orte suchen. Von den Orten gibt es sechs an der Zahl, die wichtige Dinge zum Überleben bringen: Nahrung, Benzin, Werkzeug oder Waffen. Aber auch weitere Überlebende finden sich manchmal dort, die dann zur Gruppe dazustoßen. Aber die Suche an den Orten kommt mit einem Preis. Der Weg zu einem Ort und zur Kolonie zurück ist gefährlich und auch die Suche kann neue Zombies anlocken. Überrennen sie einen Ort, ist das das Aus für den schwächsten Überlebenden. Bei der Bewegung und beim Kampf entscheidet ein Würfelwurf, ob und wie ein Zombie zurückschlägt. Eine einfache Wunde ist noch okay. Eine Frostwunde nervig, weil mein Überlebender dadurch im Laufe der Zeit weitere Wunden erhält. Und ein Zombie-Biss endet tödlich. Nicht nur das, die Infektion breitet sich dann an dem Ort weiter aus und mehr Überlebende könnten sterben. In unserem Szenario hatten wir sieben Tage Zeit, um die Zombiezahl an den Orten auf nahezu Null zu reduzieren, ohne dass die Moral auf 0 fällt. Und das geht sehr schnell, denn jede Runde werden wir uns neue Aufgaben (Krisen) gestellt, die die Abgabe von wertvoller Nahrung, Benzin oder anderen Gegenständen erfordert. Zusätzlich muss die Kolonie ernährt und manchmal sogar gesäubert werden, denn ansonsten sinkt die Moral ebenfalls. Und wenn ein Überlebender stirbt, trägt dies auch nicht zum Moralerhalt bei.

Auch wenn dies nach einem kooperativen Erlebnis klingt (wie man „Winter der Toten“ auch spielen kann), bevorzuge ich (in der richtigen Gruppe) die semi-kooperative Variante. Alle haben eine geheime Agenda und müssen bis zum Spielende des Szenarios zusätzlich noch Aufgaben erfüllen. Nicht nur das, es gibt gegebenenfalls auch einen Verräter in den eigenen Reihen. Dieser gewinnt nur, wenn die Moral auf 0 fällt (was eine Kleinigkeit ist), muss aber auch eine eigene Agenda erfüllen, um zu gewinnen. Gerade die eigenen Agenden lassen einen manchmal Dinge tun, die vielleicht nicht für das Wohl der Gruppe sorgen. Und so mache ich mich verdächtig, wenn ich an einem Ort wiederholt suche und Lärm mache, was Zombies anlockt, die wir gerade vermeiden wollen. Dieses Nicht-Wissen sorgt für eine großartige Spannung am Spieltisch.

Zusätzlich Stimmung kommt durch die Crossroads-Karten auf. Bei jedem Zug einer Spielerin wird eine Ereignis-Karte vom Nachbarn gezogen. Auf der Karte steht, wann bzw. ob der Kartentext wirkt. Es kann sein, dass ich mich dafür nur in der Kolonie aufhalten muss. Es kann aber auch sein, dass ich mit einem ganz bestimmten Charakter an einem ganz bestimmten Ort eine ganz bestimmte Aktion ausführen muss. Durch dieses System wird nicht immer ein Ereignis ausgelöst, aber wenn es einmal ausgelöst wird, passt es sehr gut zur aktuellen Spielsituation, was mir sehr gut gefällt. Der Nachteil des Systems ist, dass manchmal keine einzige Crossroads-Karte im Spiel vorgelesen wird, was schade ist. Um es noch stimmiger zu machen, lesen wir bei den Ereignissen nur die Handlungsmöglichkeiten vor (oft steht nur „links oder rechts“, „ja oder nein“ zur Wahl), aber nicht deren Auswirkung. So wird die Entscheidung einer Person oder der Gruppe oft eine moralische und keine spielmechanische, was mir sehr gut gefällt, das Spiel aber auch schwerer machen kann.

In unserer Partie gab es keinen Verräter, dennoch war das Vertrauen nicht unendlich hoch zwischen uns. Da hatten meine Mitspieler auch mal massig Karten auf der Hand und steuerten nichts zur aktuellen Krise bei, was sehr verdächtig war. Meine Agenda war es, zwei Waffen auszurüsten. Aus dem Grund ging ich in Runde 1 direkt zur Polizeistation. Meine Ausrede war, dass diese auch Benzin bringt, die wir für die Krise brauchten. Und tatsächlich fand ich in zwei Runden zwei Waffen. Zurück in der Kolonie verteilte ich die Waffen dann auf anderer, stärkere Charaktere, die vermutlich nicht so schnell von Zombies gefressen werden. Und so konnte ich mich ab Runde 2 fast völlig auf das Gesamtziel konzentrieren. Ein Mitspieler hatte das Ziel mindestens 12 Überlebende in der Kolonie zu haben (inkl. den hilflosen Überlebenden, die nichts beitragen können, aber trotzdem Nahrung brauchen und Zombies anlocken). Das Ziel erfüllte ich für diesen Mitspieler fast alleine mit, denn meine erste Crossroads-Karte bescherte mir einen neuen Überlebenden, der gleich seine ganze Familie als hilflose Überlebende mitbrachte. Der dritte Spieler am Tisch musste Benzin sammeln, was er aber heroisch in Runde 4 oder 5 aufgab, um die Krise zu meistern, deren Auswirkung wir moralisch nicht überlebt hätten. Durch das Opfer konnte der Mitspieler aber am Ende nicht mehr gewinnen. Ich gebe zu, dass dies ein Problem des Spiels sein kann, denn es gibt in solchen Fällen immer mal wieder Spieler, die dann auf den Modus „wenn ich nicht gewinnen kann, verlieren wir halt alle“ umschalten. Das ist dann zwar extrem nahe an der Realität, spielerisch kann es aber eine Partie vermiesen. Glücklicherweise trat dies bei uns nicht ein und der Mitspieler, der als Einziges nicht gewann, hatte trotzdem Gefallen am Spiel.

Mir gefällt „Winter der Toten“ immer noch sehr gut und ich bin froh, es behalten zu haben. Als besonders schön empfinde ich auch die Illustrationen, u.a. von Fernanda Suárez, die auch dieses Mal wieder zur sehr guten Stimmung bei mir beigetragen haben. Die Erweiterungen „Kampf der Kolonien“ und „Die lange Nacht“ benötige ich dabei nicht, auch wenn diese vermutlich gut sind. Zum einen halte ich Erweiterungen für ein Spiel, welches ich nur alle fünf Jahre einmal spiele, nicht für sinnvoll. Und zum anderen ist „Winter der Toten“ in der richtigen Gruppe bereits im Grundspiel ein richtig tolle Erfahrung. (9,0)

Winter der Toten
Winter der Toten

Wertung: (9,0)

#WinterderToten

Nine Tiles Panic (Oink, 2020)

Was passiert, wenn man „Galaxy Trucker“ in eine Schrottpresse wirft und den kleinen Quader, der dabei herauskommt, danach neu anmalt? Die Antwort lautet: „Nine Tiles Panic“. Wie bei Oink Games üblich, kommt das Spiel in einer sehr kleinen Schachtel daher und sieht erst einmal etwas unscheinbar aus. Wir haben alle die gleichen neun Plättchen auf der Hand. Auf der Vorder- und Rückseite sind Straßen, Häuser, Menschen, Hunde, Agenten, Aliens und Burger abgebildet. Es werden drei Aufgabenkarten ausgelegt, die es zu erfüllen gilt. Beispielsweise eine möglichst lange Straße zu haben, möglichst viele Paare an Hunde und Menschen oder möglichst viele Aliens zu fangen (wenn auf der gleichen Straße ein Agent auf ein Alien trifft). Gleichzeitig legen wir die neun Plättchen vor uns in einem 3x3-Gitter aus, wobei nur Wege passend gelegt werden müssen. Wer zuerst fertig ist, dreht die Sanduhr um. Alle anderen haben danach nur noch diese Sanduhr Zeit, ihre neun Plättchen anzuordnen. Danach werden die Ziele ausgewertet und Punkte verteilt. Dies wird wiederholt, bis jemand eine gewisse Anzahl an Punkten erreicht und damit gewonnen hat.

Das Spielgefühl von „Nine Tiles Panic“ ist tatsächlich sehr ähnlich zu „Galaxy Trucker“. Durch die weniger Plättchen und schlankeren Regeln haben auch Neulinge eine Chance. Wer „Nine Tiles Panic“ aber schon oft gespielt hat, hat definitiv einen Vorteil, da er die Plättchen sehr gut kennt und bereits weiß, welche er für welche Aufgaben wie hinlegen muss. Etwas gemein finde ich, dass bei einem Baufehler (nicht alle neun Teile verbaut oder Straße nicht richtig angebaut) es für die Person 0 Punkte gibt. Bei 3-4 Runden pro Spiel kann dies schon ein Viertel der Punkte ausmachen. Eine etwas sanftere Bestrafung hätte bei uns vermutlich dazu geführt, dass ein Mitspieler mit zwei Fehlbauten nicht so extrem auf dem letzten Platz landete. Dennoch ist „Nine Tiles Panic“ ein nettes, kleines Spiel mit netter Grafik und gutem Unterhaltungswert. (7,0)

Nine Tiles Panic
Nine Tiles Panic

Wertung: (7,0)

#NineTilesPanic

A.D.E.L.E. (Nice Game Publishing, 2021)

Wer den Film „2001: Odyssee im Weltraum“ gesehen hat, kennt auch schon die Geschichte von „A.D.E.L.E.“: Wir befinden uns auf einem Raumschiff auf dem Weg zum Mars. Gesteuert wird das Schiff von einer künstlichen Intelligenz namens A.D.E.L.E. Das wäre toll, würden in der letzten Zeit nicht ständig die Lebenserhaltungssysteme ausfallen oder es an allen Ecken und Ende zu brennen anfangen. Wir haben den Verdacht, dass A.D.E.L.E. uns an den Kragen will. Also haben wir zwei Optionen: das Raumschiff heimlich, still und leise in einer Rettungskapsel verlassen oder den Computer hacken. Also in echt. Mit einer Axt!

In „A.D.E.L.E.“ agieren ein bis vier Crew-Mitglieder gegen die KI, welche ebenfalls durch eine Person verkörpert wird. Zu Beginn des Spiels befinden wir uns als Crew auf einem Raumschiff mit 20 Räumen, in denen zufällig verteilt Gegenstände liegen. Das kann ein Raumanzug oder ein Feuerlöscher sein oder sieben der für die zwei möglichen Missionen notwendigen Gegenstände. Niemand – auch nicht A.D.E.L.E. – weiß, welcher Gegenstand sich wo befindet. Immerhin wissen einzelne Crew-Mitglieder, welche Missionsgegenstände in welchen Raum gebracht werden müssen. Auf welche der beiden Missionen sich die Crew einlässt, weiß A.D.E.L.E. auch nicht. Dummerweise weiß die Crew das ebenso wenig, da sie anfangs noch gar keinen Gegenstände in den Händen hält. Spielmechanisch passieren zuerst schlimme Dinge – durch eine Ereignis-Karte repräsentiert – die uns beispielsweise Leben oder Aktionspunkte verlieren lässt. Danach programmiert jedes Crew-Mitglied mit vier Aktionswürfeln geheim seine Aktionen. Wir können uns dabei zwar absprechen, aber A.D.E.L.E. hört natürlich die ganze Zeit mit. Danach ist A.D.E.L.E. am Zug und zieht aus einem Beutel Stör-Marker und legt sie auf ihre Konsole. Die Marken kosten Energie und damit kann sie diese auf Räume legen, beeinflusst durch Handkarten, welche die Raumnummern angeben. Auf die Art breitet sich das Feuer auf dem Schiff aus, die Luft geht aus oder Türen schließen sich plötzlich. Dann deckt die Crew ihre Aktionen auf und führt diese reihum aus – soweit dies jetzt noch geht. Ist die Tür des Raums plötzlich zu und ich habe keine „Tür öffnen“-Aktion programmiert, muss ich halt woanders lang laufen. Als Aktionen stehen mir neben Tür öffnen und Laufen auch das Suchen im Raum/Aufnehmen eines Gegenstandes und die Aktivierung eines Gegenstandes aus meinem Rucksack zur Verfügung. Die letzte Aktion „Terminal“ hat mehrere Bedeutungen und ist teurer (kostet mehr Aktionswürfel): Ich kann damit einen der gesuchten Missionsgegenstände im passenden Raum aktivieren, ich kann die Spezialfähigkeit mancher Räume nutzen (beispielsweise Heilen in der Krankenstation) oder einige der Stör-Marker entfernen, die A.D.E.L.E. zuvor in einen angrenzenden Raum gelegt hat. Dies geht so weiter, bis entweder die Crew eine der beiden Missionen erfüllt hat (also die richtigen Gegenstände in den richtigen Räumen aktiviert haben) oder bis A.D.E.L.E. sich eines Mannschaftsmitglieds entledigt hat oder das Schiff zu weit vom Kurs abgekommen ist, sodass es keine Rettung mehr gibt (umgesetzt durch einen simplen Rundenanzeiger).

Von der Story her habe ich mich echt auf das Spiel gefreut: Sci-Fi mit einer bösen KI? Das hat auch schon bei GLaDOS super funktioniert. Leider krankt „A.D.E.L.E.“ aber an zahlreichen Punkten. Zuerst ist da die Anleitung, die zum Lernen und Nachschlagen nicht hilfreich geschrieben ist. Wie die Crew gewinnt, ist klar in einem Absatz beschrieben. Wie A.D.E.L.E. gewinnt, findet sich aber in zwei unterschiedlichen Absätzen in Nebensätzen. Es war auch nicht ganz klar, wie die Anomalie-Plättchen ausgespielt werden und wie die Ereignis-Karten mit diesen zusammenspielen. Erst im Spiel fügte sich das zusammen. Das machte den Einstieg entsprechend holprig.

Die Symbolik des Spiels ist leider auch nicht sehr klar. Wir mussten auch in der vorletzten Runde immer noch nachschlagen, welche Auswirkungen diese oder jene Stör-Marker auf dem Schiff haben. Dabei gibt es eine A4-Seite mit einer Spielhilfe. Die ist aber nicht sehr hilfreich, da sie nicht das erklärt, was für das Spiel – vor allem in der Erstpartie – wissenswert wäre. Konkret: Es steht darauf, welche Sonderkarten A.D.E.L.E. ziehen könnte, was die Crew gar nicht interessiert, weil sie darauf nicht spekulieren kann. Es stehen die Fähigkeiten der Crew-Mitglieder darauf, was einmalig sinnvoll ist, ich aber nicht in jedem Zug brauche. Und es stehen die Fähigkeiten der Gegenstände erklärt, was tatsächlich hilfreich ist. Was aber fehlt: die Erklärung der Aktionen, vor allem des Terminals, da dieses multifunktional ist. Und es fehlt die Erklärung der Stör-Marker auf dem Spielbrett. Dass ein Feuermarker einen Schaden macht und man hierfür würfeln muss, konnten wir uns irgendwann merken, weil es zu viele davon gab. Dass ein Erstickungsmarker einen Aktionswürfel verlieren lässt oder Dunkelheit einen Aktionsmarker mehr für eine Aktion erfordert, ging nicht in unsere Köpfe rein. Und das ist schade, weil die A4-Spielhilfe zweiseitig ist. Und auf beiden Seiten steht exakt derselbe Text. Das ist vielleicht nur ein Druckfehler, aber die Spielhilfe in dieser Art ist wenig Hilfe gewesen.

Meine Motivationskurve beim Spiel war die ersten Runden nach der Erklärung sehr weit unten, stieg dann in der Mitte des Spiels leicht an und fiel dann wieder stark ab. Zur Begründung: Im ersten Teil weiß niemand, wo die gesuchten Gegenstände liegen. Jedes Crew-Mitglied weiß nur, wo es bestimmte Gegenstände hinbringen muss. Sprich, der erste Teil des Spiels besteht für die Crew nur aus dem stupiden Herumlaufen durch das Raumschiff und Aufsammeln beziehungsweise Anschauen von Gegenständen. Dadurch, dass ich nur vier Ausrüstungsslots habe, kann ich aber nicht alle Gegenstände mitnehmen, sondern muss manchmal welche abwerfen oder liegenlassen und mir dabei merken, welche Gegenstände in welchem Raum liegen. Mir machen Memory-Spiele aber nicht so viel Spaß. Ich konnte mir nicht einmal dauerhaft merken, welche Gegenstände ich in meinem Rucksack hatte und musste ständig nachschauen. Auch das ständige Nachschlagen in der Anleitung, weil die Symbolik für uns nicht intuitiv war, störte den Spielfluss am Anfang sehr. Der zweite Teil machte etwas mehr Spaß, als die Crew ein paar Missionsgegenstände im Rucksack hatte und A.D.E.L.E. durch Abhören herausfand, was die Zielräume für diese Gegenstände waren. Es ging jetzt also darum, die Gegenstände zum Zielort zu bringen, dabei die Stör-Marker zu beseitigen und nicht zu sterben. Das machte aber nur kurzzeitig Spaß, denn alsbald sah ich nicht mehr, wie wir das Spiel hätten gewinnen können. A.D.E.L.E. blockierte zwei Zielräume durch mehrere Stör-Marker. Einer davon verbietet die Terminal-Aktion in einem Raum, um die Missionsgegenstände dort zu aktivieren. Es gibt im Raumschiff aber nur einen einzigen Raum (Hauptcomputer-Terminal), der es erlaubt, diese Terminaldefekt-Marker durch eine Terminalaktion zu entfernen. Das heißt, eigentlich muss ein Crew-Mitglied zwingend in dem Raum stehen, um die Stör-Marker aus den Zielräumen zu entfernen, und die anderen Crew-Mitglieder müssen sich den Weg zu den Zielräumen bahnen. Das klingt also zumindest für eine Spielerin nicht sehr spannend. In unserem Fall waren wir nur zu zweit und auf die Art hätten wir ewig gebraucht, die Zielräume alle zu erreichen. Interessant im Sinne von „spielkaputtmachend“ wäre es gewesen, wenn A.D.E.L.E. auch noch den Terminaldefekt-Marker auf den Hauptcomputer-Terminal-Raum (Raum 20) gelegt hätte. Dann hätten wir nämlich bis zum Spielende keine Chance mehr gehabt, die Missionen zu erfüllen. Ich weiß aber nicht, ob diese Spielsituation tatsächlich eintreten kann, das heißt, ob es eine Raumkarte mit der Nummer 20 gibt.

Für die schlechte Spielerfahrung hat sicherlich auch die fehlende Kommunikation oder Kooperation gesorgt. Ich kann mich zwar mit meinem Mitspieler absprechen, aber das bringt nicht viel, wenn A.D.E.L.E. alles mitbekommt. Beispielsweise kann ich mit einer Drohne mir einen beliebigen Gegenstand im Schiff anschauen. Dann weiß ich zwar, ob dieser relevant ist oder nicht, aber wenn ich es meinem Mitspieler sage, wird A.D.E.L.E. den Raum abschotten. Bluffen bringt dabei auch nichts, denn dann verwirre ich auch meinen Mitspieler. Und geheime Absprachen in der Crew sind nicht erlaubt. Das führte dazu, dass wir zwei Crew-Mitglieder eben jeder auf dem Raumschiff seinen Weg ging und irgendetwas machten. Wir trafen uns ein einziges Mal für einen Gegenstands- und Wissensaustausch (es ist dann erlaubt, sich die Zielräume der anderen Missionsgegenstände anzuschauen). Da ich nicht mehr hoch motiviert war, machte ich mich einfach auf direktem Weg zu einem der Zielräume und starb dabei, weil überall Feuer lag und ich nur mit einer 1 hätte überleben können. Und so gewann A.D.E.L.E. das Spiel, was mir aber ziemlich egal war. Ganz im Gegenteil war ich froh, dass die Partie vorbei war.

Prinzipiell hätte ich Interesse, „A.D.E.L.E.“ noch einmal zu spielen. Diesmal etwas regelfester und mit mehr Mitspielern, sodass wir uns im Schiff besser aufteilen können. Aber so richtig glaube ich nicht, dass die langweilige Suchphase am Anfang des Spiels oder die Kooperation im Spiel wirklich besser wird. Ich werde es vermutlich nicht herausfinden. (4,5)

Wertung: (4,5)

A.D.E.L.E.
A.D.E.L.E.

#ADELE

Canvas (Road To Infamy Games, 2021)

Das Thema „Bilder malen“ in Spielen finde ich immer wieder attraktiv. Sei es als Arbeitereinsetzspiel wie in „Alte Meister“ oder als Sammelkartenspiel wie in „Kanagawa“ oder als schöne Panorama-Ansicht (wenn auch nicht als Gemälde) wie zuletzt in „Im Schatten der Pagode“. Mit „Canvas“ gab es dieses Jahr eine Kickstarter-Veröffentlichung, die auch im Laden erhältlich ist.

In „Canvas“ malen die Spielerinnen Gemälde. Hierfür kann ich in meinem Zug entweder eine Gemäldekarte aus der Auslage nehmen oder eines meiner drei Gemälde vollenden. Das Besondere: Die Gemäldekarten sind transparent und können übereinander gelegt werden. Drei Stück benötige ich für ein fertiges Gemälde. Was das bringt? Natürlich Punkte. Denn auf jedem Gemälde sind am unteren Rand fünf Farben mit jeweils unterschiedlichen Symbolen angegeben. Es liegen vier Zielkarten pro Partie aus. Diese erfordern beispielsweise ein Gemälde mit genau einem Farbkreis. Oder ein Gemälde mit allen fünf Farben. Oder ein Gemälde mit 3 gleichen und 2 gleichen Symbolen. Welche Farben und Symbole am Ende sichtbar sind, hängt also davon ab, wie ich meine drei Gemäldekarten übereinander lege. Wenn ich ein Gemälde vollende, erhalte ich je nach Erfüllung einer Aufgabe einen passenden Marker dafür. Wenn jeder drei fertige Gemälde vor sich liegen hat, werden Punkte verteilt in Abhängigkeit zur Menge der erhaltenen Marker.

Die Idee von „Canvas“ mit den transparenten Karten ist sehr nett, wenn auch nicht neu. Bereits in „Gloom“ hat mir dieses Spielprinzip gefallen, ebenso wie in „Mystic Vale“. Mitunter entstehen bei dem Übereinanderlegen sehr schöne Szenerien, manchmal aber auch nur Unsinn. Aber darauf kommt es leider gar nicht an. „Canvas“ ist ein rein abstraktes Spiel, welches auch ohne Gemälde auskommen würde. Nur die Farben und Symbole sind relevant für die Zielerfüllung.

Wir spielten zwei Partien zu viert. Die erste Partie mit den Einstiegswertungskarten verlief ganz gut. Es war fast immer möglich mehrere, wenn nicht sogar alle Wertungen mit einem Bild zu erfüllen. Die zweite Partie spielten wir mit zufälligen Wertungskarten und das machte das Spiel verkopfter. Fast jeder von uns stöhnte, wie man mal mehr als zwei Wertungen gleichzeitig erfüllen soll. Aber auch das war unterhaltsam, da sich mehr um konkrete Karten gestritten wurde. Das ist auch die einzige Form der Interaktion in „Canvas“: Wir nehmen uns Karten aus einer Auslage weg. Da ich ein Handkartenlimit von 5 habe und dann zwingend mit drei Karten etwas malen muss, lohnt es sich nicht, jemand anderem etwas wissend wegzunehmen. Aber zumindest hoffe ich auf die passenden Symbole und freue mich, wenn mir jemand eine Karte, die ich will, nicht weggenommen hat.

Mit 12-14 Runden spielt sich „Canvas“ recht flott, aber es hinterlässt auch keinen so bleibenden Eindruck. Vor allem die Abstraktion finde ich etwas schade. Da gefällt mir „Kanagawa“ wesentlich besser, welches die gesuchten Symbole direkt mit in die Bilder einbindet und so ein schöneres, nicht so abstraktes Bild entstehen lässt. (7,0)

Canvas
Canvas

Wertung: (7,0)

#Canvas

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