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Bericht von der SPIEL.digital 2021 (und AwSHUX'21) – Teil 1

Einleitung

Nachdem letztes Jahr die Internationalen Spieletage 2020 (SPIEL'20) in Essen nicht stattfinden konnten, wurde ein digitales Programm auf den Weg gebracht, welches ich letztes Jahr zumindest an einem Tag nutzte. Dieses Jahr fand die SPIEL'21 in analoger Form in Essen wieder statt. Ich war nicht vor Ort, wollte am Wochenende aber das digitale Angebot wahrnehmen.

Mein größter Kritikpunkt im letzten Jahr war, dass die SPIEL.digital-Seite mich nicht dabei unterstützte, virtuelle Spieletische bei Tabletopia oder Board Game Arena zu finden. Das hat sich dieses Jahr leider nicht groß geändert. Über die BGG-GeekPreview-Liste filterte ich mir vorab die Spieler heraus, die mich interessierten. Dann suchte ich jedes einzeln auf der SPIEL.digital-Seite und setzte diese auf meine Merkliste. Und von der Merkliste klickte ich dann jedes Spiel einzeln an, um von dort aus ggf. den Hinweis auf einen Discord-Kanal oder virtuelle Spieletische zu finden. Sehr oft waren diese Informationen aber gar nicht auf der Spieleseite selbst, sondern nur auf den Verlagsseiten ausgeschrieben. Also habe ich auch noch einmal alle Verlagsseiten der interessanten Spiele geöffnet. Es hätte für die Verlage auch noch die Möglichkeit gegeben, die virtuellen Spiele als Aktionen und Events anzubieten, hiervon hat aber nur Pegasus Gebrauch gemacht. Am Donnerstagabend hatte ich dann zumindest eine Liste mit den Verlagen, die virtuelle Spiele anboten …

… und diese Liste war sehr übersichtlich. Der Grund ist auch sehr simpel und liegt an den Vorgaben des Veranstalters (Friedhelm Merz Verlag GmbH & Co KG): Nur die Verlage, die physisch auf der SPIEL'21 in Essen vertreten waren, durften auch digital ihr Angebot einpflegen. Vor allem bei kleineren Verlagen mit wenigen Mitarbeitern lag der Fokus dann aber verständlicherweise auf der realen Messe und so konnte nur sehr wenige Verlage ein digitales Spieleprogramm anbieten, konkret nur Hans im Glück, Pegasus, Kosmos, Skellig Games, Board Game Circus und Feuerland. Teilweise aber auch nur mit sehr wenigen Erklärern, wohingegen aber auch nicht sehr viele digitale Messebesucher unterwegs waren. Das lag in meinen Augen aber auch daran, dass die SPIEL.digital bei der ganzen Vorberichterstattung meist nur eine Fußnote abbekommen hat. Durch die Parallelität, Unattraktivität der Seite und schlechter Werbung ist es klar, dass die digitale Messe kein so großer Erfolg war. Zusatz: Bereits zwei Wochen nach der SPIEL.digital wurde die Webseite und alle Inhalte offline genommen, was in meinen Augen ebenfalls kein gutes Licht auf die Betreiber wirft, da ich keine Inhalte mehr für den Bericht nachschlagen kann.

Anders war dies bei der Online-Spielemesse AwSHUX'21. Die SHUX ist die Shut up & Sit down Games Expo, die seit 2017 jährlich in Vancouver stattfindet. Aufgrund der gleichen Umstände wie in Essen, fiel die Messe 2020 aus und auch 2021 gab es keine. Dafür gab es aber die AwSHUX, kurz für „Away SHUX“, die dieses Jahr eine Woche nach der SPIEL'21 stattfand. Von Freitag bis Sonntag, jeweils von 17 bis 1 Uhr (MEST) konnten Brettspielbegeisterte auf der ganzen Welt (dann logischerweise zu anderen Uhrzeiten) über den AwSHUX-Discord-Kanal mit den Verlagen kommunizieren und an zahlreichen Online-Tischen auf Tabletopia, Tabletop Simulator oder Board Game Arena Platz nehmen. Der Aufbau des Discord-Servers war so, wie ich mir das auch für die SPIEL.digital gewünscht/vorgestellt hätte. Die Verlage waren alphapetisch sortiert und hatten ihre eigenen Räume und Sprachchats. Meist gab es einen Raum zur Mitspielerfindung für ein bestimmtes Spiel oder es wurden zu festen Zeiten Online-Demos abgehalten. Ein bisschen war es wie in der Realität in Essen, wo ich von Verlagsstand zu Verlagsstand laufe und mir Spiele erklären lassen oder eben sogar mitspiele, wenn ein Tisch frei ist. Die Online-Teilnehmerzahl kam mir sehr klein vor, zumindest bin ich nicht über Massen an Menschen gestolpert. Aber da ich auch nur am Sonntag Abend kurz reinschaute, war der größte Ansturm vielleicht schon wieder vorbei.

Von Freitagabend bis Sonntagabend konnte ich also auf der SPIEL.digital'21 einige Neuheiten bei den genannten Verlagen spielen. Vielen Dank daher hier an dieser Stelle an alle digitalen Erklärer und Erklärerinnen sowie meist gleichzeitig auch Mitspieler und Mitspielerinnen! Von den Verlagen, die keinen digitalen Verlagsauftritt hatten, aber interessante Neuheiten auf Tabletopia anboten, habe ich die Regeln der Spiele selbst gelesen und Solopartien gespielt. Zusätzlich füge ich am Ende noch eine Liste älterer Berichte von SPIEL'21-Neuheiten an, die ich bereits zuvor in diesem Jahr spielen konnte.

Ultimate Railroads/Asian Railroads (Hans im Glück, 2021)

„Ultimate Railroads“ ist eine große Sammelbox, die das Spiel „Russian Railroads“ und dessen zwei Erweiterungen „German Railroads“ und „American Railroads“ zusammenfasst und um eine neue Erweiterung „Asian Railroads“ ergänzt. Letzteres konnte ich auf Board Game Arena zu zweit spielen.

Das Grundspiel und alle Erweiterungen funktionieren sehr ähnlich. Ein kurzer Abriss: Jede Spielerin hat ein eigenes Gleistableau vor sich liegen, auf denen meist drei Strecken eingezeichnet sind. Diese gilt es durch Schienen zu erschließen, die es in verschiedenen Wertigkeiten gibt (Schwarz, Grau, Braun, Beige, Weiß). Die höherwertigen Schienen darf ich dabei nur legen, wenn ich die Schienen darunter bereits gebaut habe. Um richtig zu punkten, müssen an jeder Strecke auch noch ein oder mehrere Loks angelegt werden, die es in den Werten 1-9 gibt und bestimmen, bis zu welcher Schiene gewertet wird. An allen Schienensträngen gibt es Punkte und/oder Boni, wenn ich eine bestimmte Reichweite mit denen Schienen oder zusätzlich mit meiner Lok erreiche. Zum Schluss enthält jedes Spielbrett noch eine Fabrikleiste, an der ich Fabriken bauen (auf der Rückseite der Lokplättchen) und mit einem Marker aktivieren kann. Mechanisch handelt es sich um ein Arbeitereinsetzspiel, bei dem alle Spielerinnen auf einem zentralen Tableau ihre Aktionen auswählen (Gleise bauen, Loks und/oder Fabriken bauen etc.) und ausführen.

„Russian Railroads“ besticht durch seine recht einfachen Regeln und Aktionen. Durch die Gleisboni entsteht aber ein sehr angenehmes Belohnungssystem, das mitunter auch mehrfach triggert und kleinere Kettenzüge erlaubt (mein Gleis spielt einen Bonus frei, dadurch kann ich mehr Gleise woanders legen, die wiederum einen Bonus freispielen, was mich eine Lok bauen lässt, wodurch ich wieder einen Bonus bekomme etc.). Zusätzlich ist das exponentielle Wachstum der Punkte zu erwähnen, die es jede Runde gibt. Erhalte ich in Runde 1 vielleicht mal 10 Punkte, in Runde 2 dann auch schon 20, ist es nicht seltsam, wenn ich in der letzten Runde über 100 Punkte mache. Auf die Art entsteht ein interessanter Aufholeffekt, da die führen Spielerin immer noch verlieren kann, wenn sie ihre Punkteproduktion in der letzten Runde nicht mehr ausbauen kann.

„Ultimate Railroads“ fasst das Grundspiel plus Erweiterungen zusammen. Ganz neu und nicht separat erhältlich ist dabei die Erweiterung „Asian Railroads“. Das eigene Tableau zeigt wieder drei Strecken, die ich ausbauen kann: Beijing -> Baotou, Seoul -> Vladivostok und Tokyo -> Kyoto. Die Tokyo-Strecke hat die Besonderheit, dass ich durch ein Bonusplättchen die Strecke ersetzen kann. Ich fahre dann zum einen einen Schritt weiter bis nach Osaka, die Boni ändern sich leicht und ich kann nur dadurch auf der Strecke höherwertige Gleise bauen. Neu sind die Lokbaustellen. So erlaubt mir die Beijing-Route drei Loks (die auch auch benötige, um die Gesamtlänge von 21 erreicht zu können), ich muss die zwei Lokplätze aber erst durch das Erreichen bestimmter Felder auf anderen Gleisstrecken freischalten. Das hat mir gefallen, weil ich dadurch nicht nur eine Strecke ausbaue, sondern zumindest alle ein bisschen angehen muss. Die Fabrik hat sich komplett geändert, da nicht mehr jeder seine eigenen Fabriken ausbaut und aktiviert. Es gibt dagegen ein zentrales Fabriktableau, auf der alle Spielerinnen ihre Fabriken legen. Das führt dazu, dass aber auch alle anderen diese aktivieren können. Theoretisch erhöht das die Interaktion zwischen den Spielerinnen etwas, aber zumindest in meiner Partie zu zweit wirkte sich das Tableau nur sehr wenig auf meine Spielweise aus. Neben noch ein paar kleineren Besonderheiten wurden in der Ultimate-Edition die Gleisfarben ersetzt in Beige, Grün, Braun, Grau und Gelb (und ja, ich weiß, dass Bronze, Silber und Gold sein soll). Das ändert am Spiel aber rein gar nichts und spielt sich genauso wie vorher.

Wie spielt sich die Erweiterung „Asian Railroads“ nun? Kurz gesagt: Genauso wie die Vorgänger. Das Belohnungssystem ist immer noch klasse, vor allem wenn es im eigenen Spielzug zu einer Kaskade kommt. Und auch die Punkteausschüttung steigert sich von Runde zu Runde, sodass immer die Hoffnung besteht, den Führenden einzuholen. Die neuen Strecken mit dem Freischalten der Loks ist nett, aber auch keine große Änderung. Einzig das geänderte Fabriktableau sticht als wirklich neu heraus. Aber ob es das braucht, kann ich nach einer Partie nicht sagen. Ich weiß zumindest, dass es die Extremstrategie über die Ingenieur-Fabrik-Wertung in unseren Runden nicht mehr erlauben würde, was ich als positiv ansehe. Brauche ich also „Asian Railroads“? Nein, vor allem weil ich die anderen Erweiterungen auch nicht besitze. „Russian Railroads“ genügt mir als Grundspiel. Wenn es einmal pro Jahr auf den Tisch kommt, ist dies auch ohne Erweiterung Spiel genug. Trotzdem hatte ich 90 Minuten Spielspaß zu zweit. (9,5)

Ultimate Railroads/Asian Railroads (Online auf BGA)
Ultimate Railroads/Asian Railroads (Online auf BGA)

Wertung: (9,5)

#UltimateRailroads #AsianRailroads

Savannah Park (Pegasus, 2021)

Bei „Savannah Park“ handelt es sich um ein eher abstraktes Knobelspiel, auch wenn Tiere auf den Plättchen abgebildet sind. Jede Spielerin hat ein eigenes Savannen-Tableau, auf dem sechseckige Tierplättchen liegen. Auf den Plättchen sind manchmal einzelne Tiere, manchmal mehrere Tiere der gleichen Art oder auch gemischte Tierarten zu sehen. Zusätzlich gibt es auf manchen Plättchen eine Wasserstelle. Neben den Tierplättchen zeigt das eigene Tableau noch einige Bäume, Gräser und drei Buschbrände. Wenn ich an der Reihe bin, wähle ich ein noch nicht umgedrehtes Plättchen auf meinem Tableau aus, lege dieses an eine freie Stelle (frei bedeutet in dem Fall komplett leer oder mit Baum oder Gras bewachsen) und drehe es um. Alle anderen Mitspielerinnen müssen das gleiche Plättchen auswählen und ebenfalls bei sich irgendwo hinlegen und umdrehen. Dies geht reihum, bis alle Plättchen umgedreht wurden. Bei der Wertung laufen zuerst manche Tiere aufgrund der Buschbrände weg, dann gibt es Punkte für übrige Gras- und Baumfelder und abschließend wird für jede Tierart die größte zusammenhängende Gruppe gewertet und mit der Anzahl an Wasserstellen in dieser Gruppe multipliziert.

„Savannah Park“ spielt sich sehr unaufgeregt und solitär. Ja, manchmal fluche ich, wenn meine Mitspielerin ein Plättchen wählt, das mir gar nicht passt, ich nun aber zwingend einen Platz finden muss. Mehr Interaktion gibt es aber nicht, jeder spielt für sich. Im Solo-Spiel spiegelt sich das auch wider, denn dort wählt man nacheinander alleine Plättchen aus, verschiebt sie und dreht sie um. Da alle Informationen offen liegen, könnte man also im Kopf durchrechnen, wie die Partie ausgehen wird. Zu zweit ist da zumindest ein bisschen Unwägbarkeit mit drin, zu viert könnte das vielleicht schon wieder zu viel Durcheinander sein. Ein bisschen reiht sich das Spiel bei mir daher bei „Calico“ und „Cascadia“ ein, die trotz Tierthema ebenfalls eher abstrakte Knobelspiele sind. „Savannah Park“ spielt sich aber wesentlich einfacher.

Das Spiel richtet sich damit eher an Familien und Kinder. Allein das Weglaufen der Tiere bei Buschbränden wird bei den meisten etwas erfahreneren Spielerinnen nie vorkommen, da ich bereits im Spiel sehe, ob die Tiere am Ende des Spiels weglaufen würden oder nicht. Für Familien spricht auch die recht geringe Spieldauer von 30 Minuten, zumal die Spielzeit unabhängig von der Spielerinnenanzahl ist. Etwas missfallen hat mir, dass mir während des Spiels unklar ist, wie ich gerade gegenüber den anderen Spielerinnen abschneide. Das heißt, eigentlich puzzelt jeder vor sich hin, am Ende wird gewertet und es gewinnt jemand. Viel mehr will das Spiel aber nicht sein und dafür ist es ganz gut. Die beiliegenden Variationen, die das Spiel beispielsweise über einen Löwen noch etwas abwechslungsreicher machen sollen, habe ich nicht getestet. (7,0)

Savannah Park (Online auf Tabletopia)
Savannah Park (Online auf Tabletopia)

Wertung: (7,0)

#SavannahPark

Die rote Kathedrale (Kosmos, 2021)

In „Die rote Kathedrale“ bauen wir gemeinsame eine Kathedrale nach bestimmten Vorgaben des Zaren auf. Auch wenn die Spielerinnen gemeinsam am gleichen Objekt bauen, ist es ein rein kompetitives Spiel, bei dem am Ende nur die Person gewinnt, die am meisten zur Kathedralenerstellung beigetragen hat.

In der Mitte des Tischs liegt ein zentraler Spielplan, über den die Spielerinnen ihre Ressourcen erhalten. Dies geschieht über einen Würfelauswahlmechanismus. In meinem Zug wähle ich einen der fünf Würfel aus und ziehe diesen so viele Segmente weiter, wie die Augenzahl angibt. Aus dem Segment, in dem der Würfel liegen bleibt, erhalte ich so viele Ressourcen, wie dann Würfel dort liegen (ein Segment hat maximal Platz für drei Würfel). Alternativ zur Ressourcenwahl kann ich mir auch ein Teilstück der Kathedrale (bestehend aus Toren, Fassadenstücken und Türmen) reservieren oder Waren liefern, um ein reserviertes Teilstück zu bauen. Ein eigenes Spielertablau hält dabei noch Boni bereit, die ich erhalte, wenn ich eine bestimmte Würfelfarbe bewege. Das Spiel endet, wenn eine Spielerin sechs Teilstücke der Kathedrale fertiggestellt hat. Zum Abschluss gibt es eine Mehrheitenwertung pro Kathedralenbereich (ein Bereich geht senkrecht von Tor bis Turm).

„Die rote Kathedrale“ ist ein eher klassisches Eurogame. Das Thema schimmert ein bisschen hindurch, aber ob ich jetzt eine Kathedrale baue oder Kleider an einen Ball liefere (Anspielung auf „Rokoko“), es fühlt sich halt wie eine normale Mehrheitenwertung an. Und entsprechend trat bei mir das Thema auch eher in den Hintergrund. Das fand ich aber nicht schlimm, denn die Mechanik hat mir gefallen. Die Würfelauswahl ist spannend, da ich unterschiedlich viele Ressourcen bekomme. Dabei darf ich in Summe nur maximal zehn Ressourcen und Reservierungsmarker auf meinem Tableau lagern und auch nichts freiwillig abschmeißen. Somit ist die Entscheidung wichtig, dass ich frühzeitig etwas reserviere und mir die richtigen Ressourcen dazu nehme. Auch wenn das Thema bei mir nicht so stark herauskommt, die Kathedrale, die entsteht, ist schön anzusehen. Besonders hervorzuheben ist die Grafik auf dem zentralen Tableau, die in einem russischen Stil die vier Jahreszeiten darstellt und sehr schön aussieht.

Auch wenn die Mechanik gut war, fühlte sich das Spiel recht wiederholend an. Ich erhalte zwar durch die Reservierung in der Kathedrale Boni auf manche Würfel, aber dennoch mache ich am Ende des Spiels genau das gleiche wie am Anfang: Teilstück(e) reservieren, Ressourcen sammeln, Ressourcen ausliefern für den Bau. Es ist zwar irgendwie unterhaltsam, aber ein Spannungsbogen entsteht dabei nicht. Spannend war dagegen die Endwertung. Beim Bau der Kathedrale kann jedes Teilstück (Tor, Fassade, Turm) auch noch mit Verzierungen verschönert werden, unabhängig davon, wer das Teilstück gebaut hat. Auf die Art konnte ich zum Ende des Spiels noch einmal ordentlich punkten. Obwohl ich gerade einmal drei Teilstücke an der Kathedrale gebaut hatte, erhielt ich durch vier Verzierungen in einem großen Turm die Mehrheitenwertung und entsprechend viele Punkte, sodass ich am Ende nur aufgrund eines Tie-Breakers den zweiten Platz einnehmen musste.

„Die rote Kathedrale“ hat mich nicht umgehauen, aber es ist definitiv ein solides Spiel, das ich wieder mitspielen würde. (7,5)

Die rote Kathedrale (Online auf Tabletopia)
Die rote Kathedrale (Online auf Tabletopia)

Wertung: (7,5)

#DieRoteKathedrale

Honey Buzz (Skellig Games, 2021)

Als ich mir „Honey Buzz“ das erste Mal anschaute, fiel mir natürlich die niedliche Grafik auf. Süße Bienenlarven mit Schlafmützen auf dem Kopf, Nektarsammelbienen mit Fliegerbrille oder die Währung in Form von Blättern, Haselnüssen und Bärentatzen. Nach genauerem Hinsehen entpuppt sich aus der schönen Larve aber ein nicht zu simples Kennerspiel. Das Thema des Spiels ist dabei, dass wir uns als Bienenvolk selbstständig machen wollen und den Honig auf dem lokalen Tiermarkt an Bären verkaufen möchten. Mechanisch steckt im Kern ein Arbeitereinsetzmechanismus gepaart mit Aktionswahl und Markttableau.

Wenn ich an der Reihe bin, kann ich meine Arbeiterbienen auf sechs Feldern einsetzen. Liegen in einem Feld bereits Arbeiterbienen, muss ich entsprechend eine Arbeiterbiene mehr dort einsetzen (der erste also eine Biene, der zweite zwei, der dritte drei etc.). Über die Felder führe ich keine Aktionen aus, sondern wähle mir nur ein Plättchen, das ich an meine bestehende Bienenwabe anlege. Die Plättchen bestehen aus zwei Hex-Feldern, von denen ein Feld eine von sechs Aktionen abbildet. Sobald ich eine Wabe schließe, sodass nur ein einziges leeres Feld in der Mitte übrig bleibt, führe ich alle Aktionen aus, die Teil dieser Wabe sind. Im besten Fall schaffe ich es also, sechs Aktionen mit dem Schließen einer Wabe zu erreichen. Die Aktionen sind dabei nicht schwer: neue Arbeiterinnen nehmen, auf der Wiese Pollen oder Nektar sammeln, Honig aus meinen Nektarplättchen produzieren oder auf dem Markt Pollen und Honig verkaufen oder dort Aufträge der Bären erfüllen.

Die Plättchenwahl und der Einbau, um damit dann Aktionen auszuführen, hat mir im Kern sehr gut gefallen. Ich kenne bisher kein Spiel, welches eine Aktionswahl auf diese Art und Weise ermöglicht. Diese Innovation kommt aber mit einem Preis. Und der heißt Downtime. Der innovative Mechanismus sorgt dafür, dass ich bei Abschluss einer Wabe 0-6 Aktionen ausführen kann. In unserem Testspiel auf Tabletopia mit vier Spielerinnen konnten wir aufgrund des Startaufbaus alle mit dem ersten Plättchen eine Wabe schließe und vier Aktionen ausführen. Und obwohl die Aktionen sehr einfach sind, dauert es einfach seine Zeit, bis eine Person diese Aktionen ausgeführt hat. Das fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn ich in einer Runde einmal als Einziger keine Wabe abschließen kann und somit mein Zug nach zehn Sekunden vorbei ist. Dann danach zehn Minuten auf meinen nächsten Zug warten, kam mir etwas länglich vor. Aus dem Grund bin ich unsicher, was ich genau von dem Mechanismus halten soll, denn eigentlich habe ich keine Lust, „Honey Buzz“ auf die Art noch einmal zu spielen.

Dazu kam aber natürlich auch die umständliche Handhabung in Tabletopia. Es ist einfach aufwändig, die sechseckigen Plättchen korrekt auszurichten und in die eigene Wabe einzubauen. Wir haben deswegen nach etwa 45 Minuten Spielzeit das Spiel abgebrochen, da es vermutlich mindestens noch zweimal so lange gedauert hätte. In der Realität ist dies sicherlich einfacher und die angegebene Spieldauer von 90 Minuten vermutlich erfüllbar. Aufgrund des Abbruchs konnte ich das volle Potenzial des Spiels sicherlich nicht ausschöpfen. Überzeugt haben mich aber definitiv die Grafik und das Thema. Endlich ergibt es einmal in einem Spiel einen Sinn, dass ich sechseckige Plättchen lege. Und das Sammeln von Pollen und Nektar und produzieren von Honig passt sehr gut in die Verwaltung eines Bienenvolkes.

Sehr schön ist auch, dass mit mehr geschlossenen Waben und damit mehr Nektarplättchen auch mehr Honig bei der Produktion in meiner Bienenwabe landet. Da ich je nach Struktur der geschlossenen Wabe (abhängig von der Farbe der Ränder der umliegenden Plättchen) auch noch andere Honigsorten produziere, die unterschiedlich viel wert sind am Markt, gibt es einiges zu beachten. Und durch neue Arbeiterinnen kann ich auch noch mehr Plättchen kaufen und damit mehr Aktionen auslösen. Es entsteht somit ein (sehr) kleine Engine, die dafür sorgt, dass ich im Laufe des Spiels immer mehr machen kann und mehr erhalte.

Die Interaktion mit den Mitspielerinnen ist eher indirekt, aber dennoch gegeben. Zum einen verteuern die anderen Mitspielerinnen mir die Einsatzfelder, dann kämpfen wir auf der Wiese um die begehrte Pollen und den Nektar und auch auf dem Markt gilt es, nicht zu spät anzukommen, da der Preis für den Honig sonst schon zu weit gefallen ist. In unserer Testpartie habe ich innerlich einige Mal geflucht, weil mir jemand das letzte freie Plättchenfeld (ich hatte nur noch eine Biene zum Einsetzen) oder einen bestimmten Nektar vor der Nase weggeschnappt hat.

Mich würde „Honey Buzz“ in der Realität noch einmal interessieren. Da ich aber mit „Myrmes“ ein wirklich großartiges Insektenspiel besitze, gebe ich keine 60 Euro für ein Spiel aus, von dem ich nicht im Vorfeld hundertprozentig überzeugt bin. (8,0)

Honey Buzz (Online auf Tabletopia)
Honey Buzz (Online auf Tabletopia)

Wertung: (8,0)

#HoneyBuzz

Im Schatten der Pagode (Board Game Circus, 2021)

„Im Schatten der Pagode“ (auf Englisch „Four Gardens“ und vom Cover bitte nicht mit „Eternal Palace“ verwechseln) ist ein Familienspiel aus Südkorea. Das zentrale Element und Hingucker des Spiels ist eine vierstöckige Pagode, die so ausgerichtet wird, dass jede Spielerin auf eine der vier Wände blickt. An den vier Wänden jedes Stockwerks sind die Ressourcen Stein, Wasser, Holz und Gras – jeweils in der Anzahl 0 bis 3 – abgebildet. Die Stockwerke lassen sich einzeln, aber mit jeweils alle anderen Stockwerken darauf um 90 Grad drehen.

In „Der Schatten der Pagode“ wollen wir die Nachfolge der Königin antreten und müssen dafür den schönsten Garten rund um die Pagode anlegen. Hierfür haben wir Karten auf der Hand, welche auf der Rückseite einen Teil des Gartens zeigen. Die Rückseiten gibt es in verschiedenen Farben und (2 bis 5) verschiedenen Ausschnitten. Die richtigen Ausschnitte der gleichen Farbe zusammengelegt ergeben ein schönes Panorama. Auf der Vorderseite der Karte stehen die Baukosten in Form der Ressourcen Stein, Wasser, Holz und Gras. Zusätzlich sind jeweils zwei Aktionen abgedruckt: Einmal das Liefern von Ressourcen für ausgespielte Karten und daneben entweder das Drehen der Pagode und Erhalten von Ressourcen oder das Nehmen einer beliebigen Ressource.

Wenn ich am Zug bin, spiele ich entweder eine Karte in meinen Garten mit der Bauseite nach oben, sodass ich später die Ressourcen liefern und den Gartenabschnitt fertigstellen kann. Oder ich werfe eine Karte ab und führe eine der beiden auf ihr abgebildeten Aktionen aus. Bei der Pagode drehe ich nur das Stockwerk (und wie erwähnt automatisch alle darüber befindlichen) um 90 Grad, das auf der Karte abgebildet ist. Ich muss danach die Ressourcen nehmen, die auf der Pagodenseite zu sehen sind, die zu mir zeigt. Zusätzlich ist auf der Karte vorgegeben, ob ich die Ressourcen von oben nach unten oder umgekehrt nehmen muss. Da auf meinem Tableau nur Platz für vier Ressourcen sind und ich für die Gartenabschnitte oft verschiedene und nicht die gleichen Ressourcen benötige, ergibt sich durch das Ausspielen einer Pagodenkarte eine spannende Entscheidung, die auch die Mitspielerinnen betrifft. Wenn ich durch die Lieferung von Ressourcen einen Teil des Gartens beende, drehe ich diese Karte um und erhalte hierfür in einer von vier Farben (die für vier Gottheiten stehen) einen Punkt. Diese Punkte erhalte ich nachträglich auch immer wieder erneut, wenn ich den Garten in dieser Farbe erweitere. Beende ich ein Panorama durch die letzte Karte einer Reihe, erhalte ich einen kleinen Bonus. Das Spiel endet, wenn jemand eine gewisse Anzahl an Gartenkarten gebaut hat. Für jede der vier Gottheiten werden die Gunstpunkte addiert und wer am meisten Gunst erworben hat, gewinnt.

Ein bisschen erinnert mich das Spiel an „Die rote Kathedrale“ (siehe oben). Ich sammel Ressourcen, dabei ist der Lagerplatz beschränkt. Ich reserviere mir Teilstücke (eines Gartens/einer Kathedrale) und liefere die Ressourcen dann aus. Dennoch spielt sich „Im Schatten der Pagode“ einfacher und nicht so verkopft. Zusätzlich ist die Interaktion wesentlich niedriger. Durch die Pagodendrehung ergibt sich zwar oft eine neue Situation, wenn ich an der Reihe bin und natürlich kämpfen wir ein bisschen um die Gunst der Götter, aber es ist kein Wettrennen und es gibt auch keine Mehrheitenwertung, sodass ich meinen Garten so gestalten kann, wie ich mag. Was die anderen Mitspielerinnen tun, ist für mich eher zweitrangig.

Ebenfalls erinnert hat mich das Spiel an „Kanagawa“. Auch hier befinde ich mich in Japan und male/erschaffe Landschaften, aber ich finde „Kanagawa“ das abwechslungsreichere und interessantere Spiel. „Im Schatten der Pagode“ ist eher ein ruhiges, entspanntes Spiel, welches ich nebenher mit Freunden spielen kann, während wir über dies und das reden. Damit ist es sicherlich auch für Familien und Spieleeinsteiger empfehlenswert. Die Regeln finde ich für das Selbstlernen aber teilweise etwas seltsam geschrieben. Denn für jede Aktion gibt es die eigentlichen Regeln und dann folgt manchmal ein Kasten mit „Zusätzlichen Regeln“. Durch die Abhebung mit einem Rahmen wirkt es noch einmal wie eine besondere Herausstellung. Aus anderen Spieleanleitungen bin ich eher gewöhnt in solchen Kästchen Beispiele zu finden, weswegen es am Anfang passierte, dass ich wichtige Passagen überlas. Warum diese „zusätzlich“ sind und nicht einfach Teil der „normalen“ Regeln und auch entsprechend dargestellt werden, erschloss sich mir nicht.

Was ich schade fand, war, dass die Erklärerin des Spiels nur eine Kurzübersicht der Regel hatte, die nicht von ihr geschrieben war und auch noch einige ihr unbekannte Messemodifikationen enthielt. Das führte bei mir zu „kleinen“ Konflikten, da so gut wie jede erklärte Aktion der Anleitung widersprach. Das hemmte leider etwas den Spielfluss. Normalerweise finde ich es – vor allem auf Messen – gut, wenn auf irgendeine Art und Weise das Spiel beschleunigt wird, um es kennenzulernen. Dann sollte dies aber auch vorab gesagt werden, da sonst entweder bei Mitnahme des Spiels dieses daheim komplett falsch gespielt wird. Oder die Verwirrung sehr groß ist, wenn die Käuferin die Regeln liest und ein ganz anderes Spiel entsteht. Und ja, die Regeländerungen auf der Messe waren schon gravierend und niemand sollte mit diesen real spielen. (Beispiele: Die Pagode konnte beliebig, auch 180 Grad gedreht werden. Beim Legen von Karten in meinen Garten habe ich zusätzlich noch eine der Aktionen ausgeführt, ich konnte also eine Gartenkarte legen und gleichzeitig Ressourcen damit nehmen. Das Spiel sollte nach neun offenen Gartenkarten in Summe über alle Spielerinnen enden und nicht erst, als eine Spielerin neun Gartenkarten hatte. Damit war das Spiel aber viel zu schnell vorbei und kaum jemand konnte ein Panorama beenden.)

„Im Schatten der Pagode“ ist definitiv kein schlechtes Spiel, nur fehlt mir etwas die Besonderheit. Die Pagode zur Ressourcenwahl sticht logischerweise heraus, aber der Rest ist dann ein eher normales Set-Collection-Spiel. Zugutehalten muss ich dem Spiel, dass es schön aussieht. Nicht nur die Pagode, sondern auch die Gartenkarten sind sehr schön gezeichnet. Die Pagode hat nur das gleiche Problem wie der Baum in „Everdell“: Das, was hinter der Pagode liegt, sehe ich nicht. Und so musste ich in Tabletopia mehrmals die Ansicht wechseln, damit ich sehen konnte, welche Karten in der offenen Auslage zum Nachziehen lagen. Bei „Everdell“ kann ich den Baum zumindest weglassen. Die Pagode ist aber das zentrale Spielelement. Es wäre dem Verlag natürlich möglich gewesen, den Mechanismus durch eine simples Rad mir vier Scheiben, von denen ich eine und alle darauf befindlichen drehe, umzusetzen. Die Pagode macht optisch natürlich mehr her. Die Optik schlägt aber nicht die einfachere Spielmechanik. Daher würde ich bei einem ähnlichen Thema immer „Kanagawa“ bevorzugen. (6,5)

Im Schatten der Pagode (Online auf Tabletopia)
Im Schatten der Pagode (Online auf Tabletopia)

Wertung: (6,5)

#ImSchattenDerPagode

Arche Nova (Feuerland, 2021)

Eines der vorab am meisten erwarteten Spiele der SPIEL'21 war „Arche Nova“. Ein Zoo aus Plättchen bauen und darin Tiere ansiedeln klingt nicht allzu spektakulär oder gar neu, die Mechanik beziehungsweise die Verzahnung verschiedener Mechanismen ist aber das, was „Arche Nova“ glänzen lässt.

Alle Spielerinnen bauen in „Arche Nova“ einen Zoo auf. Dabei ist es nicht nur wichtig, attraktive Tiere zu präsentieren, um Besucher anzulocken, sondern auch viel für den Artenschutz zu tun, denn nur auf die Art kann ich gewinnen. Für das Spiel stehen mir fünf Aktionen zur Verfügung, die durch fünf Karten in fünf nummerierten Plätzen repräsentiert werden. Wenn ich eine Aktion ausführen möchte, hat die Karte eine bestimmte Stärke, je nachdem, an welchem Platz sie liegt. Nach der Nutzung schiebe ich sie wieder nach vorne auf den ersten, schwächsten Platz. Das Prinzip ist nicht neu, aber dennoch spannend, auch wenn natürlich sehr oft die Wahl auf die Aktionen mit der Stärke 3, 4 oder 5 fällt. Es kann aber spielentscheidend sein, eine schwächere Aktion zum richtigen Zeitpunkt auszuführen.

Eine der Aktionen erlaubt mir meinen Zoo mit weiteren Gehegen zu vergrößern. Die Gehege kommen mit 1 bis 5 Hex-Feldern daher und müssen entsprechend auf mein Zoo-Tableau eingebaut werden. Mit einer anderen Aktionskarte kann ich dann ein Tier in einem der Gehege ansiedeln, dessen Karte ich zuvor mit einer weiteren Aktion auf die Hand genommen habe. Für das Ausspielen bringt jede Tierkarte einige Voraussetzungen mit: Neben der Gehegegröße können das auch benachbarte Stein- oder Wasserfelder sein. Aber auch Anforderung an befreundete Zoos anderer Kontinente oder andere Tiere im Zoo sind möglich. Eine ausgespielte Tierkarte bringt mir neben der Attraktivität, die auch mein Einkommen am Rundenende bestimmt, manchmal auch Artenschutzpunkte und andere Aktionen. Eine weitere Aktionskarte lässt mich Sponsorenkarten ausspielen, die Einmal-, Dauer- oder Spielendeeffekte haben. Und mit der letzten Aktionskarte kann ich mich mit Zoos anderer Kontinente anfreunden, in die Universität investieren oder etwas zu Artenschutzprojekten beisteuern.

Das Spielende wird eingeläutet, sobald die zwei gegenläufigen Marker für Attraktivität und Artenschutz sich treffen. Dies ist vielen schon aus „Rajas of the Ganges“ bekannt und funktioniert genauso gut. In der Regel muss ich beide Marker voranbringen, aber dennoch kann ich meinen Fokus mehr auf Artenschutz oder mehr auf die Attraktivität meines Zoos richten, was mir sehr gefällt. Nachdem jeder (außer der Spielerin, die das Spielende provoziert hat) noch einmal dran war, gibt es noch Artenschutzpunkte durch Sponsorenkarten und geheime Zielkarten. Und wessen beiden Marker nun am meisten auseinander liegen, hat gewonnen.

Die obige Beschreibung ist nur eine kurze Zusammenfassung. Die komplette Spielerklärung hat bei uns 45 Minuten gedauert und ich vermutete, dass dies auch nicht kürzer wäre, wenn ich das Spiel jemanden neu beibringen müsste. Trotz der vielen Regeln und der starken Verzahnung spielt sich „Arche Nova“ von Anfang an recht intuitiv. Auch wenn mich die Symbole auf den Karten zuerst erschlagen haben, sind sie so eingängig, dass es nach zwei Runden keine Fragen mehr gab. Und auch das Zusammenspiel der anderen Karten und Boni im Zoo ist ziemlich schnell erfasst, was die Einstiegshürde trotz der Komplexität des Spiels doch niedrig hält. Erschlagen könnte den einen oder die andere die Tischpräsenz. Die Dimension des Spielbretts für die Kartenauslage und Marker plus Zusatzbrett für den Artenschutz und Projekte mitsamt vier Spielertableaus und den ganzen ausgelegten Karten verlangt einen großen Tisch. Leider einen so großen, dass ich gar nicht daran denken muss, mir „Arche Nova“ zuzulegen, weil ich es sonst nur auf dem Fußboden spielen könnte.

Die Interaktion im Spiel hält sich stark in Grenzen. Es gibt Karten, die sich auf meine Mitspielerinnen beziehen („Erhalte 3 Geld, wenn irgendjemand einen Vogel spielt.“) und manchmal nahmen wir uns aus der offenen Auslage oder bei den Artenschutzprojekten etwas weg. Ansonsten baut aber jeder für sich seinen eigenen Zoo auf, was zumindest mir sehr gefallen hat. Es ist zwar teilweise etwas schade, dass ich nur ganz wenig auf den Zoo und die Tiere meiner Mitspielerin geschaut habe, aber ich war meist mit meiner eigenen Planung beschäftigt. Und die beschäftigt einen wirklich. Zu zweit haben wir etwas mehr als 3 Stunden gespielt, was neben der Tischgröße mein zweiter Kritikpunkt ist. Wichtig: Ich sehe das nicht kritisch, weil es langweilig gewesen ist. Ganz im Gegenteil! Nach etwa anderthalb Stunden überlegten wir, aufzuhören. Aber wir beide wollten dann doch noch nur diese paar Tiere von der Hand ansiedeln (und nicht „bauen“, wie es uns mehrfach herausrutschte). Und als das geschehen war, wollten wir nur noch kurz das und das erledigen. Es spricht sehr für das Spiel, dass wir mehrmals überlegten aufgrund der Spieldauer aufzuhören, aber einfach nicht wollten. Die Kritik betrifft also die Spieldauer als Ganzes, denn abends mal kurz eine Partie „Arche Nova“ einzuschieben, ist nicht möglich. Es sollte schon bis Mitternacht eingeplant oder lieber tagsüber gespielt werden.

Da es eine geringe Interaktion gibt, spielt sich „Arche Nova“ solitär ebenfalls sehr gut. 27 Züge habe ich Zeit, damit sich der Attraktivitäts- und der Artenschutzmarker treffen, um das Spiel zu gewinnen. Über den Startwert der Attraktivität kann ich das Spiel schwerer oder leichter machen. Dadurch, dass so gut wie nichts am Spiel verändert werden muss (einzig die Pause wird etwas anders gehandhabt), gibt es auch kaum neue Regeln zu erlernen, was mir sehr gefallen hat. Für meine erste Solopartie habe ich circa 90 Minuten gebraucht und bin leider gescheitert, da ich kaum Artenschutzpunkte generieren konnte. Daran habe ich auch gemerkt, dass das Spiel sehr vom Kartenglück abhängt, vor allem bei weniger Spielerinnen, wenn weniger Karten vom Stapel im Durchlauf sind. Wenn aber als Artenschutzprojekte nur Australien, Pflanzenfresser und Fleischfresser ausliegen, in den ersten 20 Zügen aber nur jeweils ein Tier mit eine der Bedingungen in der Auslage erscheint, dann kann ich wenig zum Artenschutz beitragen. Dennoch hat es auch allein Spaß gemacht, den Zoo aufzubauen.

Wie geschrieben ist die Symbolik sehr leicht eingängig. Die X-Marker, um eine Aktion zu verstärken, hätte ich vermutlich noch mit einem kleinen „+1“ versehen und an einer Stelle kam ich bei den befreundeten Zoos bei der Farbgebung durcheinander, da sowohl ein Kontinent als auch das Symbol „Partnerschaft“ die gleiche Hintergrundfarbe haben. Sehr gut gefallen haben mir auch die Tierfotos und anderen Darstellung auf den Karten. Dadurch bekommt das Spiel mehr Realitätsnähe und wirkt nicht zu künstlerisch künstlich. Lustig ist natürlich auch, wenn auf den Karten „bekannte“ Personen wie Elizabeth Hargrave (Autorin von „Flügelschlag“) als Ornithologin oder Christian Hildenbrand (Redakteur bei Amigo, aber gelernter Tierarzt) mit Schlange in der Hand auftauchen. Ich gebe aber zu, dass ich diese kleinen Gags ohne die Erklärerin von Feuerland nicht gefunden hätte. Ein kleiner Kritikpunkt ist noch die Ablagefläche für Geld und X-Marker: Diese war bei uns sehr oft zu klein, aber natürlich konnten wir das Geld einfach neben dem Spieltableau stapeln.

Der Elefant im Raum wurde noch nicht angesprochen: der Vergleich von „Arche Nova“ zu „Terraforming Mars“. Die Ähnlichkeiten, die ich sehe, sind, dass ich Karten in meine eigene Auslage spiele, die Anforderungen an vorher ausgespielte Karten haben, und, dass wir Hex-Plättchen auf ein Tableau legen. Die Spielmechanik und die Aktionen sind gänzlich anders und nicht vergleichbar. Auch die Interaktion ist eine ganz andere, gibt es in „Terraforming Mars“ doch noch einen Area-Control-Aspekt, da alle auf dem gleichen Tableau den Mars besiedeln. Was noch ähnlich ist: Sowohl bei „Terraforming Mars“ als auch bei „Arche Nova“ verliere ich vor lauter Karten ausspielen, weil das alles so schön zusammenpasst, das Spielziel aus den Augen. Aber das spricht wohl eher für die Spiele als dagegen.

Mir haben die bisherigen zwei Partien „Arche Nova“ sehr gut gefallen. So gut, dass ich zwischendurch trotz der Spiellänge nicht aufhören wollte. So gut, dass ich gerne noch mehr Partien spielen würde. Und so gut, dass ich nach Schreiben dieses Textes das Spiel bestellt habe, obwohl ich es tatsächlich nicht auf meinen Tisch bekommen werde – also nicht zeitlich, sondern wegen der Spielplandimension. Ich habe aber die Hoffnung, dass den Mitspielerinnen es auch auf dem Fußboden gefällt. (9,5)

Arche Nova (Online auf Tabletopia)
Arche Nova (Online auf Tabletopia)

Wertung: (9,5)

#ArcheNova

Paint the Roses (North Star Games, 2022)

„Paint the Roses“ ist ein gerade auf Kickstarter laufendes Projekt, welches mich aufgrund der Thematik sehr interessiert hat. Wir sind die Gärtner der bösen Herzkönigin in „Alice im Wunderland“. Die Königin hat immer neue Wünsche, wie der Garten gestaltet werden soll. Gemeinsam bauen wir den Garten auf und versuchen die geheimen Wünsche der Königin, die jede Spielerin auf der Hand hält, zu erraten. Wenn wir das aber nicht schaffen, holt uns die Königin ein und es heißt „Kopf ab!“ Im Kickstarter gibt es auch noch eine Erweiterung, die ich aber nicht anspielen konnte.

Mechanisch handelt es sich bei „Paint the Roses“ um ein kooperatives Deduktionsspiel. Alle Spielerinnen haben eine Wunschkarte der Königin verdeckt auf der Hand. Auf dieser sind zwei Farben (aus den vier Farben Gelb, Lila, Rosa und Rot) oder Symbole (die bekannten vier Standardfarben in Kartenspielen: Karo, Herz, Pik und Kreuz) abgebildet. Je nach Schwierigkeitsstufe der Karte kann es dann auch zur Kombination Farbe/Symbol kommen. Wenn ich an der Reihe bin, wähle ich eines der vier ausliegenden, sechseckigen Gartenplättchen, auf denen immer ein Symbol plus Farbe abgebildet ist, und lege es auf einen freien Platz im Garten. Danach markieren alle Spielerinnen inklusive mir mit kleinen Marker, wie viele Übereinstimmungen das neue Plättchen mit den bis zu sechs umliegenden bezogen auf die eigene Wunschkarte hat. Wenn meine Wunschkarte beispielsweise „Herz/Pik“ zeigt und jemand legt ein rotes Herz-Plättchen neben ein lila Pik-Plättchen, ein gelbes Pik-Plättchen und ein lila Karo-Plättchen, dann lege ich zwei Marker auf das gelegte Plättchen, da Pik zweimal neben Herz liegt. Meine Mitspielerinnen können nun aus meinen zwei Markern schließen, dass ich entweder die Kombination Herz/Pik habe oder vielleicht auch Rot/Lila oder – wenn ich eine schwere Wunschkarte genommen habe – auch Herz/Lila oder Rot/Pik.

Wenn alle ihre Marker gelegt haben, müssen die Spielerinnen eine Wunschkarte erraten. Liegen sie richtig, gehen sie entsprechend viele Felder auf einer Leiste voran. Die Leiste stellt keine Punkte im eigentlichen Sinne dar. Sie hat aber zwei Funktionen: Zum einen verfolgt uns die rote Königin. Sie läuft anfangs immer einen Schritt. Wenn wir falsch raten, doppelt so weit. Zusätzlich können wir als Gärtner das weiße Kaninchen einholen, welches dann aber zur nächsten Basis vorläuft. Immer, wenn wir das Kaninchen erreichen, beschleunigt die Königin und läuft ab da einen Schritt mehr. Je weiter wir also im Spiel vorankommen, desto schneller wird die Königin und holt uns vor allem bei Fehlrateversuchen sogar ein. Das Spiel endet und die Spielerinnen haben gewonnen, sobald der ganze Garten mit Plättchen vollgepuzzelt wurde.

„Paint the Roses“ ist im Kern ein abstraktes Spiel, welches ich dafür thematisch aber gut umgesetzt finde. Die Herzkönigin, die uns verfolgt. Das weiße Kaninchen, das wir nie wirklich einholen können, weil es immer wegläuft. Die Anspielungen der Spielkarten und Farben im Garten der Königin. Die drei Figuren sind dabei auch noch schön anzusehen, auch wenn ich das Kaninchen mit Schnurrbart irgendwie seltsam finde. Die restliche Grafik ist für das eigentliche Spiel funktional, aber dennoch hübsch anzusehen. Schade finde ich natürlich, dass wir nicht Alice den Garten gestalten und vor der Herzkönigin davon laufen lassen. Dadurch, dass es aber ein kooperatives Mehrpersonenspiel ist, sind die zwei Gärtner als eine Figur auch passend.

Das Gefühl im Spiel war ein Auf und Ab der Emotionen. Ich fange mit dem Höhepunkt an: Wir legen das letzte Gartenplättchen. Die Herzkönigin ist sechs Schritte hinter uns. Wir haben von keinem von uns Dreien einen exakten Tipp. Wenn wir falsch liegen, holt uns die Königin ein und wir verlieren. Für meine einfache Wunschkarte haben meine zwei Mitspielerinnen immerhin „nur“ noch vier Kombinationen als mögliche zur Auswahl. Da wir raten müssen, wird bei mir geraten. Bei einer 25% Chance! Und? Es passt tatsächlich. Wir gehen zwei Schritte vor, die Königin vier, also immer noch zwei Abstand. Und wir gewinnen das Spiel. Das war wirklich großartig und spannend! Die eine Stunde davor gestaltete sich aber manchmal sehr frustrierend, manchmal sehr langatmig. Die Langatmigkeit kommt aus einem Phänomen, das mir zuerst bei „Codenames“ aufgefallen ist und mich heute noch stört. Wenn bei „Codenames“ der Agentenchef einen Tipp überlegt, heißt es Warten für die ganze Gruppe. Natürlich soll der Tipp gut sein und so dauert das eine Weile. Das gleiche Problem gibt es bei „Paint the Roses“. Ich möchte meinen Mitspielerinnen einen guten Tipp geben, der viel verrät. Also gehe ich die vier zur Verfügung stehenden Plättchen durch, prüfe die X freien Plätze im Garten und markiere mir im Kopf, welchen neuen Informationen es dadurch gibt. Und das dauert je nach Spielerin recht lange. In dieser Zeit sitzen die anderen nur da und warten. Im Gegensatz zu „Codenames“ kann ich hier aber wenig Smalltalk machen, weil das die aktive Spielerin zu sehr ablenkt. Das zweite Problem war mein Frust aus zwei Gründen: Zum einen war es frustrierend zu sehen, wenn eine Mitspielerin ein Plättchen legt, was keinerlei neue Informationen hervorbringt. Oder wenn (in meinen Augen) das falsche Plättchen gewählt wird, weil ein anderes an einer anderen Stelle viel mehr verraten hätte. Und das ist frustrierend, weil ich nicht einmal darauf hinweisen darf. Zum anderen hatte ich als Wunschkarte von Anfang an Rosa/Rosa auf der Hand. Leider kamen sehr lange keinerlei rosa Plättchen zum Hinlegen, was dazu führte, dass ich nie einen Würfel als Tipp legen konnte. Die zwei Mitspielerinnen konnten also nur durch das Nicht-Vorhandensein meiner Würfel über zig Runden hinweg einzelne Kombinationen abkreuzen, bis es am Ende noch eine 50:50-Chance gab.

Allgemein gibt es zwei Möglichkeiten für den Verlauf beim Raten: Entweder jemand legt Würfel und man hat eine gute Ausgangsbasis für mögliche Kombinationen (meist sind das maximal vier Stück). Oder jemand legt mehrere Runden keine Würfel und man kann nur sehr mühsam im Ausschlussverfahren die richtige Kombination herausfinden. Das erste fand ich zwar sehr logisch, aber auch teilweise zu leicht. Das letzte wiederum wie oben geschrieben eher frustrierend und langatmig. Für diese Fälle liegen dem Spiel Notizblöcke bei, auf denen man für jede Spielerin ankreuzen kann, welche Möglichkeiten es gibt oder definitiv nicht gibt. Und irgendwie war es ein wenig langweilig, die Wunschkarten auf diese Art und Weise zu deduzieren. Ich gebe aber zu, dass es bei den schweren Wunschkarten mit 36 möglichen Kombinationen schwer wird, diese im Kopf abzuhaken.

In Summe heißt das für mich, dass ich das Spiel nicht unterstützen werde. Ich würde es vermutlich wieder mitspielen, aber ich denke, nur wer solche Logikrätsel mit Ankreuzen spannend findet, hat an „Paint the Roses“ langfristig seine Freude. Es gefällt mir ungefähr gleich gut wie „Cryptid“, aber definitiv besser als „Die Alchimisten“. Sehr schön ist, dass es meist keine Denkfehler durch den kooperativen Aspekt und die Diskussion gibt. Das fand ich bei den vorgenannten kompetitiven Titeln oft frustrierend. (7,5)

Paint the Roses (Online auf Tabletopia)
Paint the Roses (Online auf Tabletopia)

Wertung: (7,5)

#PaintTheRoses

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