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Bericht von der SPIEL.digital 2020

Im Oktober ist normalerweise Spielemesse in Essen. Aus bekannten Corona-Gründen konnte die SPIEL'20 dieses Jahr aber nicht stattfinden. Stattdessen wurde eine SPIEL.digital auf die Beine gestellt. Zumindest den Sonntag habe ich dort verbracht. An den restlichen drei Messetagen haben wir uns in kleiner Gruppe mit genügend Abstand zum analogen Spielen getroffen.

Super-Skill Pinball: 4-Cade (Print'n'Play, 2020)

Roll'n'Write-Spiele gibt es auch auf der diesjährigen Messe wieder zahlreich. Einer der interessanteren war für mich „Super-Skill Pinball: 4-Cade“ („Flippermania“ auf Deutsch). Die Besonderheit ist, dass ein Flipper simuliert wird. Zwei Würfel bestimmen, wo der Ball hinfliegen kann. Wenn ich ein Ziel oft genug (mit den richtigen Zahlen) getroffen habe, kann ich einen Bonus erhalten. Zum Beispiel einen Multiball, der mir gleich zwei Bälle in den Flipper legt, die ich dann beide mit den zwei Würfeln bedienen muss, damit sie nicht verloren gehen. Ungewöhnlich und neu ist, dass ich in diesem Roll'n'Write-Spiel auch wieder etwas wegradieren/-wischen muss, wenn ein Ziel komplett erfüllt ist und es wieder freigeschaltet wird.

Ich bzw. wir haben nur das Print'n'Play „Carniball“ von „Super-Skill Pinball“ gespielt. Allein gefällt es mir ganz gut. Es gibt keine Downtime, ich kann in Ruhe spielen und bin selbst am Würfelergebnis schuld. Es ist nicht alles ganz thematisch. So fällt der Ball gezwungenermaßen nach maximal 8 Flipperkontakten ins Aus, da keine validen Zahlen mehr zum Ankreuzen da sind. Dennoch kommt das Gefühl eines Flippers, bei dem ich den Ball möglichst lange hochhalten will, sehr gut herüber. Hier hat das Spiel eine Wertung von 7,0 sicherlich verdient … Ich bin aber kein Solospieler.

Mit mehr Spielern werd ich das Spiel definitiv nicht noch einmal anfassen. Es gibt keinerlei Interaktion, was andere Roll'n'Write oder Flip'n'Write-Spiele besser machen. Wenn nicht direkt (wie zum Beispiel der Angriff bei „Im Wandel der Zeiten Würfelspiel“ oder durch die unbenutzten Würfel in „Ganz schön clever“), dann meist indirekt durch Ziele oder Mehrheitswertung (wie z.B. bei „Welcome To“) . Daneben gibt es eine Art Spielerelimination, weil durch ungeschickte Würfelwahl oder einen Tilt (Flipper anschubsen, um den Würfelwert zu ändern, was aber unter Umständen dazu führt, dass der Ball im Aus landet) die drei Bälle eines Spielers schon nach 15 Minuten alle durchgefallen sind, während die anderen Spieler noch beim ersten (Multi-)Ball sind. Daneben war das Spiel für das, was es bietet, viel zu lang. Eine Stunde Roll'n'Write mit den gleichen vier Bereichen zum Ankreuzen und Wegradieren war uns zu viel. Hier fällt die Wertung auf 3,0 ab.

Super-Skill Pinball: 4-Cade
Super-Skill Pinball: 4-Cade

Wertung (Durchschnitt Solo/Mehrspieler): (5,0)

Welcome to New Las Vegas (Blue Cocker Games, 2020)

Das originale „Welcome To“ mag ich sehr. Es ist recht leicht erklärt, schnell gespielt und das Einzeichnen von Hausnummern und Zäunen macht Spaß. Aus dem Grund war ich auf „Welcome to New Las Vegas“ gespannt.

Anfänglich hieß es zu mir: „Überflieg mal die Anleitung. Du kennst Welcome to ja schon.“ Leider war da nichts mit Überfliegen, da sich die Spiele extrem unterscheiden. Gleich geblieben ist der Grundmechanismus: Es werden drei Karten aufgedeckt, die zusammen mit den vorherigen Kartenrückseiten eine Kombination aus Hausnummer und Aktion bilden. Hiervon wählt jeder Spieler eine aus, um eine Hausnummer bzw. jetzt Casinonummer einzutragen und optional die Aktion auszuführen. Ende ist, wenn der Plan voll ist oder drei Ziele erfüllt wurden.

Die Aktionen sind aber der Punkt, wieso ich die Anleitung komplett lesen musste. Diese unterschieden sich extrem. So kann ich Show-Casinos eröffnen (identisch zu den Pools aus dem Vorgänger), den Wert von Gebäuden steigern (ebenfalls wie im Vorgänger), neue Casinos bauen (das ist neu) oder mit einem Auto durch die Straßen fahren und eröffnete Casinos besuchen (das ist ganz neu). Daneben gibt es in der obersten Straße noch die Möglichkeit einen Golfplatz zu bauen, ein bisschen ähnlich wie die Parks in „Welcome to“, nur dass ich keine spezielle Karte dafür brauche. Wenn ich eine komplette Spalte an Casinos eröffnet habe, darf ich zudem noch ein großes oder kleines Hotel eröffnen, je nachdem, ob meine Mitspieler bereits vor mir dieses Hotel eröffnet haben.

„Welcome to New Las Vegas“ ist nicht extrem kompliziert, aber komplizierter als „Welcome to“. Und das ist der Grund, wieso das Spiel bei mir so abfällt. Ähnlich wie ich „Ganz schön clever“ immer dem Nachfolger „Doppelt so clever“ vorziehe, bevorzuge ich aufgrund der Einfachheit die erste Version. Es gibt für mich einfach keinen Grund, das sehr gute und einfache „Welcome to“ komplizierter zu machen. Kompliziert ist im Übrigen der richtige Begriff, weil sich uns vieles (vor allem die Geldscheine und Schulden, die man aufnehmen muss) nicht sofort bei der Erklärung erschloss.

Welcome to New Las Vegas
Welcome to New Las Vegas

Wertung: (6,5)

Detective Club (HUCH!, 2020)

Ich bin nicht gut im spontanen Argumentieren. Dafür bin ich aber auch nicht gut im unspontanen Argumentieren. Und das kommt mir bei allen Deduktionsspielen zugute. „Detective Club“ ist die Mischung aus „Dixit“ und „A Fake Artist“: Der aktive Spieler denkt sich geheim einen Begriff aus und legt eine Handkarte dazu aus. Dann schreibt er auf Zettel (für alle Mitspieler) den Begriff, nur bei einem macht er einen Strich. Derjenige weiß also nicht, welchen Begriff die Karte umschreiben soll. Reihum muss dann jeder eine Karte zu dem Begriff auslegen. Danach legt der aktive Spieler erneut als Vorgabe und alle anderen eine zweite Karte aus. Nun erklärt der aktive Spieler den Begriff und warum seine Karten dazu passen. Reihum machen das auch alle Mitspieler, also auch der, der erst vor wenigen Sekunden den Begriff zum ersten Mal gehört hat. In der dritten Phase stimmen dann alle außer dem aktiven Spieler darüber ab, wer wohl der Unwissende war.

Ich habe schon mehrere Partien gespielt, oft gewinnt aber der Unwissende, weil keiner oder maximal einer auf ihn getippt hat. Dabei half, dass die aktiven Spieler oft Begriffe wählten, wozu auch die restlichen Mitspieler keine wirklich guten Karten hatten. Und so mussten auch diese holprig argumentieren, wieso die ausgespielte Karte zum Begriff passen soll. Und so konnten unsere Unwissenden sehr gut nur gegen die anderen argumentieren, weil sie noch schlechtere Karten legten.

„Detective Club“ ist prinzipiell schon älter (von 2018), kam dieses Jahr aber auf Deutsch bei HUCH! heraus. Mir gefällt das Spiel immer noch sehr gut, nur fand ich den Aspekt, dass ich als aktiver Spieler nur einen möglichst schweren Begriff wählen muss, damit der Unwissende zusammen mit mir Punkte bekommt, nicht gut. Das kam mir zu leicht vor. Und es bringt auch nicht viel, anders zu spielen, denn je leichter der Begriff bzw. je passender die Karten im Allgemeinen, desto eher wird der Unwissende entlarvt und auch der aktive Spieler geht leer aus. Dennoch macht das Spiel viel Spaß, wenn man gerne argumentiert bzw. sich verteidigt und andere (meist zu unrecht) beschuldigt, der oder die Unwissende zu sein.

Wertung: (8,5)

Tekhenu (Giant Roc, 2020)

Autor Daniele Tascini setzt seine T-Reihe fort: Nach den Mayas in „Tzolk'in“ (zusammen mit Simone Luciani, der uns danach das großartige „Barrage“ beschert hat) und den Azteken in „Teotihuacan“ geht es nun in „Tekhenu“ (zusammen mit Autor Dávid Turczi) nach Ägypten. Spoiler: Das demnächst erscheinende Spiel „Tawantinsuyu“, was bei den Inkas spielt und extrem super in diese Reihe passen würde, ist nicht von Tascini, sondern von Turczi allein.

In „Tekhenu“ bauen die Spieler um einen großen Obelisken herum an einer Tempelanlage, errichten Statuen oder machen die Bevölkerung glücklicher, um sie danach im Bergwerk auszubeuten. Etwas unthematisch nehmen die Spieler reihum dafür Würfel vom Spielbrett, die um den Obelisken herum in sechs Bereichen liegen. Diese Würfel geben an, welche Aktion ich ausführen darf und anhand der Augenzahl wie stark diese ist. Zusätzlich gibt es gute und schlechte Würfel (und ganz schlechte, die ich aber nicht nehmen darf), die in eine Waagschale geworfen werden. Nach zwei Würfeln dreht sich der Obelisk (Eigentlich dreht sich die Sonne, aber bis ins Mittelalter glaubten die Menschen ja noch, dass die Erde im Mittelpunkt steht, wieso auch nicht hier?) und wirft einen neuen Schatten, sodass die Würfel neu ausgerichtet werden (nach gut, schlecht und ganz schlecht). Nach vier Würfeln wird anhand der Waagschale der neue Startspieler bestimmt und die Würfel weggelegt. Nach weiteren vier Würfeln gibt es eine erste Wertung. Und nach der zweiten Wertung ist Schluss. Jeder Spieler hat also genau 16 Aktionen im Spiel.

Von den unthematischen Würfeln abgesehen, kommt auch bei „Tekhenu“ ähnlich wie bei „Tzolk'in“ und „Teotihuacan“ das Thema sehr gut hervor. Die Grafik gefällt mir etwas besser als der sehr dezente Ton eines „Teotihuacan“ (das manche ja den Charme einer Excel-Tabelle erinnert). Spielmechanisch funktioniert es super und machte mir sehr viel Spaß. Vor allem die Vorausplanung gefällt mir, da ich ja genau weiß, wann sich der Obelisk dreht und bisher verbotene Würfel wieder zugänglich werden. Das Komplizierteste am Spiel sind vor allem die Würfel und wie diese in welchen Bereich des Obelisken verschoben werden. Je nachdem, ob dieser gegen Tag, Nacht oder Morgen/Abend ausgerichtet ist, werden die Würfel als gut, schlecht oder ganz schlecht markiert. Und hierbei unterliefen uns beim ersten Versuch fast immer Fehler. Gegenseitige Kontrolle ist also angesagt.

Ein blöder Spielfehler ist uns im Zweispieler-Spiel unterlaufen: Der Wertungsmarker für die zweite Wertung und das Ende des Spiels lag falsch oder wir haben den Obelisken zu viel oder zu wenig gedreht. Jedenfalls zeigte der Obelisk plötzlich auf dem Spielendemarker und niemand – vor allem ich – hatte damit gerechnet. Es gelang uns leider nicht, den Fehler zu rekonstruieren, aber die Wertung ignoriere ich einfach einmal. Jedenfalls muss hier jeder im Spiel aufpassen, dass nicht zwei Personen am Obelisk herumspielen und jeder sollte sicherheitshalber auch den Spielaufbau kontrollieren.

Der Tempelbau kann sehr viele Siegpunkte abwerfen, vor allem wenn kein anderer Mitspieler eingreift. Als Extremstrategie würde ich es aber (noch) nicht bezeichnen. Das Spiel wirkt nach drei Partien mit vier, drei und zwei Spielern sehr ausgewogen. Es gibt aber auch Strategien, die gar nicht aufgehen, was aber auch zum Ausprobieren gehört. In Summe ein sehr gutes Spiel, auch wenn es in meinen Augen nicht ganz an „Tzolk'in“ und „Teotihuacan“ heranreicht.

Tekhenu
Tekhenu

Wertung: (9,0)

Caylus 1303 (HUCH!, 2020)

Ich habe das originale „Caylus“ nie gespielt und kenne nur das Kartenspiel „Caylus Magna Carta“, das ich eine Weile lang auch besessen und gerne gespielt habe. „Caylus 1303“ ist eine Neuauflage des 2005 erschienenen Vorgängers.

In „Caylus 1303“ bauen die Spieler gemeinsam einen Weg zur Burg, der durch Gebäude gebildet wird. Wenn ein Spieler an der Reihe ist, setzt er einen Arbeiter auf ein Gebäude ein. Dabei kann er seine eigenen, aber auch fremde bzw. neutrale Gebäude nutzen. Dies geht reihum, bis alle Spieler gepasst haben. Danach wird vom Start des Weges bis zur Burg jedes Gebäude aktiviert, das einen Arbeiter hat und der jeweilige Spieler kann die Aktion ausführen. Das war es im Prinzip auch schon. Die Aktionen erstrecken sich von Waren nehmen über Waren in Arbeiter tauschen bis hin zum Gebäudebau. Dabei gibt es Holz-, Stein- und Prestigegebäude, die unterschiedliche Waren benötigen und unterschiedliche Punkte bringen. Es gibt noch eine weitere Aktion, mit der Spieler Waren zur Burg liefern können.

Daneben gibt es noch Charaktere gibt, die einem Spezialfähigkeiten geben. Per Standard hat jeder einen, aber durch eine Aktion kann man diese den anderen Spielern stehlen. Gefühlt waren die Charaktere eher nutzlos, weil sie so gut wie nie eingesetzt wurden. In unserer Partie hatte ein Spieler am Ende alle Charaktere bis auf zwei vor sich liegen. Gefühlt machte es wenig Unterschied.

Mir hat „Caylus 1303“ gar nicht gefallen. Das Spiel fühlt sich die neun gespielten Runden sehr wiederholend und drei Runden zu lang an. Zusätzlich kam bei mir nie das Gefühl auf, dass ich im Vergleich zu meinen Mitspielern etwas erreichen würde. Eine richtige Engine aus Arbeiter einsetzen, Waren bekommen, mehr Arbeiter erhalten und einsetzen, noch mehr Waren bekommen etc. kam bei mir nie zustande. Dieses Gefühl des Dahinplätscherns, um absehbar auf dem letzten Platz zu landen, machte mir einfach keinen Spaß.

Im Spiel sammelt jeder Spieler seine Siegpunkte geheim vor sich als Stapel. Umso verwunderter war ich dann bei der Auswertung, als sich herausstellte, dass ich nur knapp hinter dem ersten Platz lag. Das macht „Caylus 1303“ für mich aber noch schlechter. Wenn ich in Führung liege oder zumindest nah dran bin und das im Spiel nicht einmal merke, sondern erst am Ende bei der Auswertung, hinterlässt das für mich ein extrem schlechtes Spielgefühl. Ich werde „Caylus 1303“ jedenfalls nicht noch einmal spielen.

Caylus 1303
Caylus 1303

Wertung: (4,5)

King of 12 (Corax Games, 2020)

„King of 12“ ist ein interessantes Bluffspiel, in welchem Würfel vorkommen, die in jeder Runde nur ein einziges Mal geworfen werden. (Anmerkung: Das stimmt nicht ganz aufgrund einer Charakterkarte, aber ich nehm es mal nicht ganz so genau.)

Alle Spieler würfeln ihren einen Würfel und wählen aus einem identischen Deck von Charakterkarten auf ihrer Hand eine aus, die sie geheim ausspielen. Dann decken alle Spieler ihre Karten auf. Gleiche Charaktere heben sich gegenseitig auf und werden ignoriert. Die Karten modifizieren direkt (durch Änderung der Würfelseite) oder indirekt (durch Addition/Subtraktion) die eigene Augenzahl. Alle Spieler vergleichen ihren Wert, gleiche Werte heben sich wiederum gegenseitig auf. Der Spieler mit dem höchsten Wert gewinnt die Runde und erhält Punkte. Das geht so lange, bis alle Spieler nur noch eine Karte auf der Hand haben. Haben jetzt zwei oder mehr Spieler die gleiche Punktzahl, scheiden sie aus. Diejenige mit den meisten Punkten, gewinnt das Spiel.

Das Ausscheiden bei gleichen Werten hat schon in „Las Vegas“ sehr viel Spaß gemacht. Wo ich es dort aber noch einigermaßen planen konnte, herrscht bei „King of 12“ eher Zufall und Chaos. Das ist nicht negativ, da das Spiel sehr kurz dauert und bei uns meist gleich noch eine zweite Partie folgte. Ich kann zwar versuchen, meine Gegner zu lesen, was sie wohl für eine Karte spielen werden und entsprechend kontern oder einfach nur die gleiche Karte wählen. Aber mehrfach in unseren Partien fiel die Aussage „Wenn ich mein Deck gemischt hätte und zufällig ziehen würde, hätte ich jetzt mehr Punkte.“ Und ja, mit hoher Wahrscheinlichkeit stimmt das sogar. Daher ist das Spiel nett für mal zwischendurch, aber nichts, was ich zwingend in der Sammlung haben müsste.

King of 12
King of 12

Wertung: (7,0)

Renature (Pegasus, 2020)

„Renature“ sieht vom Cover her wie ein Ökologie-Spiel aus (die ich sehr mag), denn wir wollen ein umweltverschmutztes Gebiet wieder mit Tieren besiedeln und Bäume und Sträucher dazu pflanzen. Etwas enttäuscht war ich, als ich dann am virtuellen Spieletisch Platz genommen hatte, denn das Thema ist extrem aufgesetzt.

Die Tiere sind auf Dominosteinen abgebildet, die ich an die passende Stelle auf den Spielplan lege. Danach darf ich in ein angrenzendes Gebiet einen meiner Pflanzenmarker (mit Werten von 1 bis 4) stellen, was mir sofort Punkte bringt. Wird ein Gebiet komplett mit Dominosteinen umkreist, gibt es eine Wertung. Es werden die Werte der Pflanzenmarker gezählt und die Siegpunkte entsprechend verteilt.

Als sei dieser Kampf um die Gebiete nicht genug, hat jeder Spieler auch noch die gleichen Pflanzenmarker eines imaginären, neutralen Spielers, die er ebenfalls in ein Gebiet einsetzen kann. Haben bei der Auswertung mehrere Spieler (auch der neutrale) den gleichen Gesamtwert, gehen sie leer aus. Das Prinzip ist schon von „Las Vegas“ bekannt, fühlt sich in „Renature“ aber noch gemeiner an.

Die Komponenten sehen zwar nett aus, wie aber oben geschrieben, hätten die Dominosteine auch die Werte 1–10, der Spielplan einfache weiße und schwarze Felder und die Pflanzen hätten Pappmarker mit Wert 1–4 sein können. Auch im Spiel fühlte es sich für mich nie so an, als würde ich ein verschmutztes Gebiet wieder mit Tieren besiedeln. Ich habe nur stupide auf die Symbole auf den Dominosteinen geschaut und wo ich in einem Gebiet die meisten Punkte machen kann.

Wenn man das Thema aber außen vor lässt und „Renature“ als abstraktes Spiel akzeptiert, ist es ganz gut. Mir fehlte ein bisschen die Besonderheit oder Neuerung. Klar sind Dominosteine mal was anderes, aber im Grunde ist es ein simples Area-Control-Spiel. Dabei ist „simpel“ nicht mit „einfach“ zu verwechseln. Wann ich wie meine Pflanzenmarker für Mehrheiten einsetze, ist essentiell, um das Spiel zu gewinnen.

Einige werden auch von dem anfänglich friedlichen Thema vielleicht in die Irre geführt, denn „Renature“ ist extrem gemein. In unserer Partie wurden wirklich keine Punkte verschenkt. Einige gingen lieber selbst leer aus, anstatt jemand anderem die Punkte zu gönnen. Vor allem die neutralen Marker sind sehr gemein, machen aber auch Spaß, wobei sicher nicht jeder den Spaß versteht. Wo bei „Las Vegas“ oft noch das Würfelglück oder -pech darüber entscheidet, dass jemand nichts bekommt – und das dann meistens lustig ist –, ist es bei „Renature“ pure Absicht und Böswilligkeit. Das ist sicherlich nicht für jeden etwas.

Für mich ist „Renature“ eher nichts. Die Partie war nett, aber in ein paar Wochen werde ich das Spiel auch wieder vergessen haben.

Renature (online)
Renature (online)

Wertung: (5,5)

Wutaki (Hodari Spiele, 2021)

„Wutaki“ stand vor allem wegen der Grafik und des Themas auf meiner To-Play-Liste. Glücklicherweise gab es auch noch einen freien Spieletisch und so erklärte mir David Rimbach, der Autor persönlich, das Spiel und wir spielten zu dritt die Hälfte davon.

In „Wutaki“ sind wir Stammesanführer, die ein großes Monster mit allerlei Ressourcen füttern und besänftigen wollen, weil sie Angst haben, dass es sonst den Vulkan ausbrechen lassen wird. Also schicken wir Arbeiter los, die diese Ressourcen sammeln. Zum Füttern des Monsters müssen wir Aufträge erfüllen. Bis hierher klingt es noch nach Standardkost, wird aber interessanter. Zum einen hat jeder Spieler ein bestimmtes Element, dessen Aufträge ihm Bonuspunkte bringen und ein gegensätzliches, dass Minuspunkte bringt. Wer welches Element mag bzw. nicht mag, ist geheim, kann aber natürlich durch etwas Beobachtung geschlossen werden. Das Fiese daran ist, dass ich Aufträge an meine Mitspieler „verschenken“ darf – die sich dann definitiv nicht darüber freuen, wenn es ihr Anti-Element ist.

Auch gemein sind die Omenkarten, die die Spieler als Belohnung bekommen, um damit den Mitspielern ein paar mehr Stolpersteine in den Weg zu legen. Noch gemeiner sind die Fluchkarten, die ein Spieler normalerweise selbst zieht, wenn er eine eher nicht so nette Aktion ausführt – wie zum Beispiel alle geopferten Ressourcen des Monsters zu stehlen. Aber auch hier gibt es ein Aktionsfeld, um Flüche freundlichst weiterzugeben und so den Gegner am Sieg zu hindern.

Im Spiel kann ich hauptsächlich durch Aufträge und Aufwertungen Punkte machen, richtig spannend wird es zum Spielende, wenn die geheimen Zielkarten, Fluchkarten, Ressourcen und (unerfüllte) Auftragskarten – meist negativ – gewertet werden. Ein zurückliegender Spieler kann so noch aufholen, sodass das Spiel auch spannend bleibt, wenn man nicht Führender ist.

„Wutaki“ war für mich die Überraschung der Messe. Natürlich ist es nach einer Partie schwer zu sagen, ob es sich zum Dauerbrenner entwickeln wird, aber Spielgefühl, die putzige und abgedrehte Grafik (vor allem das Schaf, das wie „Mr. Ball Legs“ aus der Serie „Santa Clarita Diet“ aussieht) und Spielspaß stimmten einfach. Natürlich muss man den hohen Ärgerfaktor aushalten können, aber der macht dieses Euro-Game schön interagierend. Das Kickstarter-Projekt, das im Februar online geht, werde ich jedenfalls genauer im Blick haben.

Wutaki (online)
Wutaki (online)

Wertung: (9,0)

Monster Expedition (AMIGO, 2020)

„Monster Expedition“ ist ein sehr simples Würfelspiel. Die Spieler versuchen Monster in den Farben Grün, Blau oder Gelb zu fangen. Diese haben einen bestimmten Wert, den es zu erwürfeln gibt. Hierfür wähle ich das farbig passende Camp aus, dass je nach Ausbaustufe mehr Würfel zur Verfügung stellt. Dann würfel ich in guter Push-Your-Luck-Manier und leg Würfel mit hohen Werten raus. Reicht es für eine Monsterkarte, nehm ich diese. Wenn nicht, dann reicht es unter Umständen für einen Käfig, was aber auch nur zufällige Siegpunkte sind.

Ich fand das Thema extrem aufgesetzt. Dass ich Monster jage, kam bei mir nie wirklich zur Geltung. Hauptsächlich schaue ich nur, wie viele Würfel ich von welcher Farbe habe und welche Karte einen entsprechend erreichbaren Wert anzeigt. Und dann zeigt der Zufall, ob ich eine Karte bekomme oder nicht. Das empfand ich als sehr langweilig und unspannend. Die Campaufwertung bringt mehr Würfel, aber mehr eben auch nicht. Definitiv ist „Monster Expedition“ nicht meine Art von Spiel.

Monster Expedition (online)
Monster Expedition (online)

Wertung: (4,5)

Wildes Weltall (Board Game Circus, 2020)

Zum Abschluss am Sonntag gab es dann noch eine Partie „Wildes Weltall“, das mich vor allem durch seine Grafik angesprochen hat.

Es handelt sich um ein Set-Collection-Spiel im Weltraum. Mit einem kleinen Arbeitereinsetzanteil entscheiden wir uns jede Runde, auf welchem Planeten wir landen wollen. Dieser gibt uns die Möglichkeit, eine Karte von der Hand auszuspielen oder Karten aus der Auslage zu nehmen. Beim Ausspielen von Karten können diese das Ausspielen oder Nachziehen von weiteren Karten auslösen. Diese Combos versuchten wir zu sammeln, um so mit einer einzelnen Aktion möglichst viele Karte auszuspielen. Das Spiel ist nach zehn Aktionen vorbei und es wird gewertet. Für gleiche Kartentypen gibt es Punkte, sowie für ganze Sets. Einige Karten haben Punktebedingungen oder geben direkt Punkte.

Wie gesagt sprach mich das Spiel grafisch an und es spielt sich als Set-Collection-Spiel (die ich eigentlich nicht so sehr mag) ganz gut. Das Thema kommt zwar auch hier wieder nicht wirklich zum Vorschein, aber die Jagd nach immer mehr Karten, um die richtige Combo zu erreichen, macht Spaß. Man darf nur nicht vergessen, dass man die Karten auch irgendwann spielen muss. Mir hat das Spiel jedenfalls Spaß gemacht und ich würde auch wieder eine Partie mitspielen.

Wildes Weltall (online)
Wildes Weltall (online)

Wertung: (7,0)

Fazit zur digitalen Messe

Von Donnerstag bis Samstag trafen wir uns offline zum analogen Spiel. Das machte entsprechend Spaß und wir hatten auch einige Neuheiten dabei, die wir austesten konnten.

Am Sonntag nahm ich mir dann vor, die digitale Messe zu besuchen. Dabei sei gesagt, dass ich auf die SPIEL nach Essen gehe, um neue Spiele zu spielen und anzutesten. Dementsprechend entsprach viel Content, der zur digitalen SPIEL erzeugt wurde, nicht meinem Interesse. Youtube-Erklär-Videos und Interviews kann ich auch daheim schauen. Für Podcasts und Radio fehlt mir die Geduld und die Aufmerksamkeit. Und Live-Streams von Spielen finde ich ungeschnitten viel zu langatmig (ich sehne mich nach der guten Tabletop-Zeit mit Wil Wheaton zurück). Mein Hauptaugenmerk lag also auch bei der digitalen Messe auf dem Spielen von Neuheiten selbst.

Wie jedes Jahr habe ich bei BGG meine Liste mit interessanten Neuheiten erstellt. Die SPIEL.digital half mir nur leider nicht dabei, zu meinen Spielen auch Tische zu finden. Über die Kachelansicht mit den Verlagen kam ich nie zum Ziel. Viel eher suchte ich auf der Spieleneuheitenliste das entsprechende Spiel heraus und klickte es an. In den meisten Fällen gab es dort entweder nur den Werbetext oder zumindest noch ein paar Videos zu sehen. Etwas seltener hatte ich Glück und es gab tatsächlich einen Discord-Channel. Den Direktlink auf Tabletopia schenkte ich mir, da die Erfahrung zeigte, dass die Absprache in Discord wesentlich einfach zu einem Spieletisch führte. Noch unverständlicher waren Links auf Drittsoftware, die es für Windows und Mac zum Download gab. Selbst wenn ich noch was installieren wollte, wurde Linux dabei nicht unterstützt.

In Discord war die Erfahrung je nach Verlag unterschiedlich. Es gab Channels, in denen nur die verzweifelten Stimmen einzelner Spieler der letzten Tage zu lesen waren, die wissen wollten, ob jemand ihnen ein Spiel erklären kann – ohne Antwort leider. In anderen Channels war zu lesen, dass zwar niemand das Spiel erklärt, aber ich ja die Anleitung selbst lesen und dann bei Tabletopia spielen kann. Wiederum andere sagten, dass es ein Spiel gebe, aber nur im Tabletop Simulator, den ich natürlich nicht habe. Andere Spiele waren leider völlig ausgebucht bzw. kam ich meist zehn Minuten nach Spielstart in den Raum und konnte so nicht mehr teilnehmen. Das war dann im Übrigen sehr ähnlich zur analogen SPIEL die letzten Jahre. In manchen Fällen hat es aber gut geklappt mit der Erklärung und dem Mitspielen.

Die Erklärer waren alle freundlich, lieferten meist den Tabletopia-Link oder zumindest eine Tischnummer, sodass ich mich schnell verbinden konnte. Leider hing beim ersten Spiel Tabletopia extrem, weil mein Grafiktreiber falsch/nicht installiert war. Dafür kann die Messe nichts, war aber blöd, dass ich so 10 Minuten der Erklärung verpasste, aber am Ende dann glücklicherweise doch mitspielen konnte. Der Umgang mit Tabletopia sollte aber gelernt sein. Es half sicherlich, dass ich erst am Sonntag auf die Messe ging – die meisten Besucher kannten sich bis dahin mit der Tabletopia-Bedienung aus. Ansonsten kann ich mir aber vorstellen, dass Standard-Anwender mit der SPIEL.digital-Webseite und -Navigation selbst, aber auch mit den technischen Hürden bei Discord und Tabletopia zu kämpfen hatten.

Als Fazit: Die Messe war besser als gedacht. Die Gespräche per Discord liefen fehlerfrei und mir macht auch das Spielen über Tabletopia Spaß, solange sich der Verwaltungsaufwand in Grenzen hält („Tekhenu“ online stell ich mir nicht spaßig vor). Gewünscht hätte ich mir eine bessere Übersicht, welche Spiele/Verlage überhaupt Discord- bzw. Spieletische anbieten, sodass ich nicht meine 80 Titel von der BGG-Liste manuell suchen und durchklicken müsste. Ich bin gespannt, ob es 2021 eine digitale Messe gibt. Wenn es geht, werde ich aber natürlich die analoge SPIEL in Essen bevorzugen.

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