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Christine Prayon

Bei „Die Anstalt“ hielt Christine Prayon ein sehr gutes Solo zum Thema Vorratsdatenspeicherung und der Eigenverantwortung jedes Bürgers. „Linux statt Windows, Startpage statt Google und Diaspora statt Facebook“ waren ihre Worte. Und wer seine Daten frei zur Verfügung stellt, darf sich auch nicht über die Vorratsdatenspeicherung beschweren.

Link zum Solo

Link zur ganzen Sendung „Die Anstalt“ vom 26.05.2015

Interview mit den Musikpiraten

Wer das Wort „Musikpiraten“ hört, denkt vermutlich zuerst an den illegalen Tausch von Liedern in diversen Tauschbörsen. Dass der Musikpiraten e.V. nicht viel weiter am anderen Ende des rechtlichen Spektrums stehen kann, zeigt das folgende E-Mail-Interview mit Christian Hufgard, dem Vorsitzenden des gemeinnützigen Vereins.


Logo des Musikpiraten e.V.
(gemeinfrei, Lizenz: CC0 1.0)

Hallo Christian. Vielen Dank, dass Du für ein Interview zur Verfügung stehst. Ich denke, für den Start ist es sinnvoll, wenn Du den Musikpiraten e.V. kurz vorstellst? Seit wann existiert der Verein und was ist seine Aufgabe?

Die Musikpiraten wurden Juni 2009 gegründet. Wir haben als Vereinsziel die Förderung der Kultur und zwar besonders der freien Musik. Dafür wurden wir vom Finanzamt auch als gemeinnützig anerkannt.

Was genau wird denn alles unter so einer Förderung zusammengefasst?

Wir veranstalten zum Beispiel den Free!Music!Contest und unterstützen Musiker oder Bands gelegentlich auch direkt finanziell mit Geld für Instrumente.

Was hat Dich/Euch dazu bewogen, den Verein zu gründen?

Die Gründung geht zurück ins Jahr 2008. Da habe ich bei der hessischen Piratenpartei vom OpenMusicContest erfahren. Ich fand das Konzept klasse und als Landesverband wollten wir den Wettbewerb unterstützen. Leider wurde das von den Machern abgelehnt, da man dort mit Parteien nichts zu tun haben wollte. Also haben wir beschlossen, einen Verein zu gründen, der dann den Wettbewerb unterstützt – und etwas mit „Piraten“ im Namen hat. Leider fand dann ab 2009 der OpenMusicContest nicht mehr statt, weshalb wir den Free!Music!Contest ins Leben gerufen haben.

Der Name „Musikpiraten“ könnte in der Gemeinschaft negativ aufgefasst werden, weil er doch sehr an Musikpiraterie erinnert. War die Namenswahl Absicht, z.B. als bewusste Provokation, oder hat sich das einfach so ergeben?

Der Begriff der „Musikpiraterie“ ist ein Kampfbegriff der Musikindustrie. Damit soll suggeriert werden, der Konsum von Musik, ohne für jeden einzelnen Hör- und Kopiervorgang zu zahlen, wäre illegal. Das ist falsch, denn das private Kopieren und Teilen von Musik ist zulässig. Die Urheber erhalten dafür eine Entschädigung, die in Form von Pauschalabgaben von der SD-Karte bis hin zum Handy erhoben wird. Wir wollten mit dem Namen aber auch klar eine Nähe zur Piratenpartei zeigen.

Es gab sicherlich vieles, was Ihr erreichen wolltet. Habt Ihr davon etwas erreicht? Hat sich die heutige Tätigkeit gegenüber den Anfängen geändert?

Ich denke, wir haben vielen Menschen das Konzept frei verfügbarer Kunst näher gebracht. Unser größter Erfolg war aber die Produktion von über 50.000 Liederbüchern mit GEMA-freien Kinderliedern. Das ging bundesweit durch die Presse und hat sehr viele Menschen gezeigt, dass es jenseits der GEMA noch Alternativen gibt.

Wie ist die Resonanz auf den Musikpiraten e.V. in den Medien abseits der „Szene“? Werdet Ihr dort überhaupt wahrgenommen?

Vor allem durch die eben erwähnten Liederbücher sind wir ziemlich bekannt geworden. Mein Kopf war sogar auf Seite 1 der BILD zu sehen. Unsere Auseinandersetzungen mit der GEMA schaffen es auch immer wieder in die klassische Presse. Von der BILD über heise.de bis hin zum österreichischen derStandard.at waren wir in diversen Medien vertreten. Auch in Fachblogs zum Thema Erziehung und in Lehrerrundbriefen nahm man uns zur Kenntnis.

Was hat Euch dazu bewogen, Projekte wie „Kinder wollen singen“ zu starten?

Die Arroganz der GEMA und der VG Musikedition und natürlich der Wunsch, die Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Wir konnten es einfach nicht ertragen, dass sich die GEMA hinstellt und behauptet, niemand dürfe Noten kopieren, ohne ihnen dafür Geld zu zahlen.

Apropos GEMA, wer Eure Aktivitäten verfolgt, kennt die Probleme. Kannst Du es für alle anderen kurz beschreiben?

Puh, kurz ist schwierig … Laut Rechtsprechung aus dem letzten Jahrtausend gehören der GEMA die Rechte an aller Musik weltweit (GEMA-Vermutung). Wenn man dann eine CD erstellen oder Musik öffentlich aufführen will, muss man der GEMA beweisen, dass sie an dem Werk keine Rechte hält. Das ist im Creative-Commons-Umfeld oft schwierig, da die Urheber nicht wollen, dass ihre bürgerlichen Namen bekannt werden. Aber selbst wenn man die hat, muss man häufig noch das Geburtsdatum und den aktuellen Wohnort nennen – denn es gibt diverse Christian Müller und Markus Schmitt, die GEMA-Mitglied sind. Leider hat es das Landgericht Frankfurt 2013 abgelehnt, die Angelegenheit vom Bundesgerichthof entscheiden zu lassen. Jetzt müssen wir auf die nächste Klage durch die GEMA warten.

Gibt es denn keine Alternative zur GEMA?

Es gab schon diverse Versuche, andere Verwertungsgesellschaften aufzubauen. Zur Zeit befindet sich die C3S (Cultural Commons Collection Society) auf einem recht guten Weg. In Zukunft muss man sich als Nutzer freier Werke dann halt mit GEMA oder C3S rumstreiten. Eine wirkliche Lösung ist das nicht. :(

Das klingt sehr negativ. Welche Möglichkeiten einer Verwertung würdest Du Dir denn wünschen?

Ich wünsche mir eine Abschaffung der GEMA- bzw. Verwertungsgesellschaftsvermutung. Wenn ein Musiker seinen Namen nicht nennen will, finde ich es absolut unangemessen, dass dann für die Nutzung seines Werkes Geld an eine Verwertungsgesellschaft gezahlt werden muss.

Gibt es auf europäischer oder weltweiter Ebene ähnliche Probleme? Gibt es denn in anderen Ländern andere Vereine wie Euch, die Freie Musik unterstützen?

Bestimmt, aber mir ist keiner bekannt.

Bei der Sammlung nach Fragen für das Interview in meinem Umfeld kam öfters die Frage auf, was für Musik Ihr veröffentlicht, obwohl Ihr ja gar keine selbst veröffentlicht, sondern nur auf freie Musik hinweist. Hast Du eine Idee, wie man diesen Irrtum aus den Köpfen bekommt?

Der Begriff des „Veröffentlichens“ ist da ein sehr unscharfer. Wir sammeln immer wieder Lieder und packen sie in Samplern zusammen. Vermutlich werden wir aber aufgrund des Namens als ein Warez-Verein oder so angesehen.

Stimmt, genau genommen veröffentlicht Ihr mit dem Free!Music!Contest-Sampler doch jedes Jahr Musik. Kannst Du etwas zu dem Wettbewerb erzählen?

Es reichen Künstler aus der ganzen Welt Lieder bei uns ein. Wir werden dabei von Creative Commons unterstützt und wurden sogar dieses Jahr für den Zedler-Preis der Wikimedia Deutschland vorgeschlagen. Die Künstler freuen sich immer wahnsinnig, wenn sie dann am Ende auf dem Sampler sind – und nehmen es in der Regel auch gelassen zur Kenntnis, wenn sie es nicht gepackt haben. :)

Wie war die Resonanz sowohl bei den teilnehmenden Künstlern als auch bei den abstimmenden Zuhörern dieses Jahr?

Auf der Teilnehmerseite war die Beteiligung wieder sehr hoch. 69 Titel verschiedener Künstler aus verschiedenen Musikrichtungen wie Pop, Rock, Elektro, Punk oder Ska wurden eingereicht. Davon schafft es aber nur die Hälfte auf den Doppel-CD-Sampler. Das Publikumsvoting dieses Jahr lief dagegen nicht so gut, wie wir das erhofft haben. Es haben nicht einmal 20 Personen abgestimmt. :(

Von wie vielen möglichen Abstimmern? Und ist das nicht dennoch ein Erfolg, dass Ihr auch Stimmen aus der Community erhaltet und nicht alleine als Jury entscheiden müsst?

Es haben 16 von 24 Leuten abgestimmt. Davon waren auch einige Teilnehmer des Wettbewerbs. Insofern würde ich da nicht unbedingt von Stimmen aus der Community sprechen.

Die meiste Musik, auf die Ihr hinweist und die Ihr unterstützt, unterliegt einer Creative-Commons-Lizenz. Was ist der Grund dafür? Macht Ihr Ausnahmen?

Das ergibt sich aus unserem Vereinsziel, freie Kultur zu fördern. Es gibt zwar auch noch andere Lizenzen für freie Kunst, aber die führen eher ein Nischendasein. Es gibt aber auch immer wieder Ausnahmen. Wichtiger als die Lizenz ist für uns, dass ein Werk kostenlos verfügbar ist. Wir verlinken auch immer wieder Videos von YouTube und Vimeo, die von den Urhebern dort eingestellt worden sind.

Beteiligen sich auch „große“ Künstler an solchen Aktionen? Oder kennt Ihr bekannte Künstler bekannt, die Freie Musik veröffentlichen?

Die „großen“ Künstler sind leider immer bei Labels unter Vertrag, die nichts von freier Verfügbarkeit der Werke halten. Selbst die, die eigene Labels besitzen, gehen davon aus, dass jeder einzelne Download ein Cent weniger in ihrem Geldbeutel sei. Eine Ausnahmen wäre vielleicht Trent Reznor von Nine Inch Nails. Aber der ist auch nicht unbedingt ein Charts-Stürmer. Ich kenne einige Künstler, die von Musik leben können, die frei verfügbar ist. Aber die führen bei weitem kein Luxusleben.

Gab es denn schon einmal Gegenstimmen zu den Musikpiraten? Vielleicht von großen Bands, die Angst um Ihre Existenz haben?

Die ignorieren uns vollständig. Wir sind da aber auch ein viel zu kleines Rädchen.

Hast Du Tipps parat, wie professionelle Künstler Geld mit ihrer Musik verdienen können, obwohl (oder vielleicht gerade weil) Ihre Musik frei verfügbar ist?

Wer Profi ist, hat ja bereits schon einen Weg gefunden. Gäbe es hier ein Patentrezept, würde ich es umsetzen. :) Es hängt aber auch immer davon ab, was Musiker wollen. Was nur den wenigsten gelingt, ist rein vom Verkauf von Tonträgern – oder digitalen Kopien – zu leben. Dafür ist die Marge viel zu gering und der Markt viel zu groß. Selbst die Bands, die in den Charts hoch und runter gedudelt werden, haben weitere Jobs. Ein kurzer Blick in die Wikipedia-Artikel der aktuellen Top 10 zeigt, dass praktisch alle neben der Musik noch weitere Standbeine haben. Das sind eigene Labels, Schauspielerei oder Arbeiten als Produzent.

Gibt es neben den Liederbüchern für Kinder und dem Free!Music!Contest noch weitere Projekte, für die der Musikpiraten e.V. bekannt ist? Vor allem, jetzt wo Weihnachten vor der Tür steht?

Unser Creative-Christmas-Adventskalender (Beispiel von 2010) erfreut sich auch immer wieder großer Beliebtheit. Dort gibt es jeden Tag einen anderen weihnachtlichen Song, der unter einer Creative-Commons-Lizenz steht. Er kann auch ganz einfach auf eigenen Webseiten eingebunden werden.

Zuletzt bleibt natürlich die Frage, wie man bei den Musikpiraten mitmachen kann. Wie kann sich jeder einbringen oder Euch unterstützen?

Wir freuen uns immer über Leute, die Artikel für unsere Webseite schreiben und so zeigen, was es alles an freier Kunst gibt. Aber auch Mitgliedsbeiträge sind gerne gesehen. :)

Darfst Du sagen, wie groß der Verein aktuell ist, also wie Mitglieder er hält? Und hast Du einen Prozentzahl bereit, wie viele davon aktiv mitmachen?

Es sind auf dem Papier knapp fünfzig Mitglieder. Aber an der letzten Mitgliederversammlung nahmen weniger als 10 davon teil. Und das, obwohl sie online durchgeführt worden ist.

Vielen Dank für Deine Antworten, Christian. Ich wünsche dem Musikpiraten e.V. viel Erfolg auf seinem weiteren Weg und hoffen, dass Ihr vielleicht durch das Interview noch mehr Resonanz aus der Gemeinschaft erfahrt.

Extra History: Die Tragödie des ersten Weltkriegs

Mal ein etwas anderes Thema … Dass ich regelmäßig Extra Credits schaue, sollte den Lesern meines Blogs nicht verborgen sein (siehe „Blogroll“ in der rechten Seitenleiste). Die Jungs und Mädels (inzwischen nur noch Jungs) haben sich die letzten Wochen mit dem ernsten Thema des ersten Weltkriegs beschäftigt und die Hintergründe erklärt, wieso es dazu kommen konnte:

Auch wenn einige Aussagen sehr vereinfacht – und laut den Kommentaren nicht ganz richtig – dargestellt werden, ist es besser als jeder Geschichtsunterricht, den ich in der Schule hatte. Wer Englisch kann und sich etwas weiterbilden will, sollte sich die ca. 40 Minuten anschauen.

Review: Papers, Please

Die folgenden Tagebucheinträge wurden nach der Entlassung des Genossen XXXXXXX in seiner Wohnung in der XXXXXXXX-Straße beschlagnahmt. Alle persönlichen Daten wurden geschwärzt.

Tagebucheinträge

22. November 1982

„Heute ist mein Glückstag! Ich erhielt heute ein Schreiben, dass ich die Arbeitslotterie des Monats gewonnen habe. Ich hatte mich zuerst gewundert, weil ich an keiner Lotterie teilgenommen habe. Aber da man nicht jeden Tag etwas gewinnt, habe ich mich trotzdem gefreut.“

„Der Gewinn ist eine neue Arbeitsstelle in Grestin. Unsere großartige Führung in Arstotzka will die Grenzen nach Kolechien öffnen und jemand muss natürlich die ehrenvolle Aufgabe übernehmen, die Einreisenden zu kontrollieren. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich diese Aufgabe übernehmen darf.“

„Meine Frau XXXXXX und mein Sohn XXXXX ziehen gleich mit in die neue Wohnung ein. Auf die Mitnahme meiner Schwiegermutter hätte ich verzichten können. Auch wenn mir unsere aktuelle Wohnung der Klasse 6 in XXXXXX gefällt, wird die neue der Klasse 8 in Ost-Grestin sicher nicht schlecht sein.“

„In der Zeitung steht mein neuer Job.”

„In der Zeitung steht mein neuer Job.”

23. November 1982

„Mein erster Arbeitstag bei der Grenzstelle. Ich musste mich am Anfang durch das Handbuch wühlen, aber prinzipiell sind die Regeln einfach: Arstotzkaner mit gültigem Pass dürfen rein, der Rest nicht. Immerhin zwölf Leute konnte ich so abfertigen. Ich fand es etwas schade, dass nicht jeder in unser schönes Arstotzka einreisen darf, aber das hat sicherlich seine Gründe.“

„Meine Grenzkabine ist gemütlich, aber nicht sehr groß. Vor allem der Lautsprecher, mit dem ich ‚Es lebe Arstotzka!‘ und ‚Nächster!‘ in die Menge brüllen darf, macht mir viel Freude.“

„Es lebe Arstotzka.“

„Es lebe Arstotzka.“

24. November 1982

„Heute ist etwas Tragisches passiert. Es steht sicherlich morgen in allen Zeitungen. Ein Terrorist ist bei der Einreise einfach über die Absperrung gesprungen und hat eine Rohrbombe auf einen Grenzsoldaten geworfen. Es war grauenhaft …“

„Und das auch noch an dem Tag, an dem unsere großartige Regierung die Einreisebestimmungen gelockert hat. Eigentlich durfte jeder mit gültigem Pass einreisen. Ich denke, das wird sich ab morgen ändern.“

25. November 1982

„Wie erwartet sind die Prüfungen jetzt wesentlich strenger – was für mich mehr Arbeit bedeutet. Es gab viele neue Regeln, die ich beachten muss. Jeder Ausländer muss einen Einreisebeleg vorlegen, dessen Datum ich prüfen muss.“

„Insgesamt gefällt mir die Arbeit gut. Es ist nicht so anspruchsvoll, aber man sieht viele Menschen.“

<H4> 26. November 1982

„Hätte ich mich gestern nur nicht beschwert. Einreisebelege sind wegen des blühenden Schwarzmarktes nicht mehr erlaubt und ich muss jetzt Einreise-Genehmigungen prüfen. Name, Passnummer und Einreisegrund müssen alle geprüft werden und stimmen. Immerhin komme ich so mit den Leuten etwas ins Gespräch, es ist aber dennoch anstrengend.“

„Vor allem bin ich durch die vielen Prüfungen nicht mehr so schnell. Gerade einmal sechs Personen konnte ich kontrollieren. Aber ich will keinen Fehler machen. Da ich nur fünf Krediteinheiten pro Kontrolle bekomme, reicht das Geld gerade einmal für Miete (die heute auch noch erhöht wurde) und Heizung. Immerhin hatte ich etwas Geld gespart, um Essen für meine Familie kaufen zu können.“

„Als Grenzschützer muss ich jeden Pass genau kontrollieren.“

„Als Grenzschützer muss ich jeden Pass genau kontrollieren.“

27. November 1982

„Da es gestern so langsam voran ging, wollte ich heute etwas schneller arbeiten. Die Ersparnisse halten nicht ewig als Reserve. Dummerweise sind mir dabei mehrere Fehler passiert. Ich habe einige Leute wohl fälschlicherweise weggeschickt, obwohl sie einreiseberechtigt waren. Und ein oder zwei sind wohl durch meine Kontrolle geschlüpft, obwohl ihre Daten nicht gepasst haben.“

„Jede meiner Entscheidungen wird wohl von höherer Ebene noch einmal geprüft, wie auch immer die das machen. Jedenfalls gab es erst zwei Ermahnungen und danach durfte ich fünf Krediteinheiten Bußgeld pro Fehler bezahlen. Im Endeffekt habe ich heute nichts verdient, was ich meiner Frau natürlich nicht sagen kann.“

„Die Ersparnisse reichen leider nicht mehr für Heizung und Essen. Ich hoffe, dass mir meine Familie es abnimmt, dass bei Bauarbeiten was an den Heizungsrohren kaputt gemacht wurde.“

28. November 1982

„Heute war ein schlimmer Tag. Das Ministerium hat mir einen Arrest-Knopf in die Kabine eingebaut. Jedes Mal, wenn ich jemand Verdächtigen bemerke, soll ich den drücken. Ich dachte mir nichts dabei und als ich ihn drückte, ging ein Alarm los und zwei Wachen führten den Mann vor mir weg. Ich will gar nicht wissen, was sie jetzt mit ihm machen.“

„Zusätzlich ist meine ganze Familie krank, weil es hier so saukalt ist. Ich habe heute wieder nicht genug Geld nach Hause gebracht, um Miete, Heizung und Essen zu bezahlen. Zusätzlich brauchte ich auch noch Medikamente für XXXXXXX und XXXXXXX. Ich glaube, wir müssen, das Essen rationieren.“

„Entweder Essen oder Medikamente für die Familie …“

„Entweder Essen oder Medikamente für die Familie …“

29. November 1982

„Ich kann nicht mehr! Drei weitere Leute mussten wegen mir abgeführt werden. Ich hätte sie ja gerne durchgelassen, denn sie sahen echt nicht wie Terroristen aus. Aber ich hatte davor schon zwei Fehler gemacht und jeder weitere hätte wieder negative Krediteinheiten bedeutet.“

„XXXXXXX ist wieder gesund, aber XXXXXXX hat den Tag nicht überlebt. Ich weiß, man sollte das nicht sagen, aber ich konnte sie eh nie leiden. Ich versuche natürlich dennoch XXXXXXX zu trösten, aber mir scheint, sie gibt mir die Schuld daran.“

30. November 1982

Als ich heute nach Hause kam, lag ein Brief vom Ministerium auf dem Tisch. Weil wegen mir ein Familienmitglied gestorben ist und die Partei nur erfolgreiche Mitarbeiter in ihren Reihen wissen will, wurde ich entlassen. Die Wohnung wurde uns gekündigt. Morgen werde ich mich an den Grenzübergang nach Kolechien stellen. Hoffentlich sind deren Auflagen für eine Einreise nicht so streng wie bei uns …“

Zahlen und Fakten

„Papers, Please“ ist ein sehr ungewöhnliches Spiel. Der Startbildschirm und die militärische Musik zeigen es deutlich, dass man kein Highend-Grafik-Spiel erwarten kann. Dafür überzeugt „Papers, Please“ durch moralische Entscheidungen, die dem eigentlichen Spielziel, Fehler in einem Suchbild zu finden, oft entgegenlaufen.

Titelbildschirm von „Papers, Please“.

Titelbildschirm von „Papers, Please“.

Das macht das Spiel dann auch aus, denn man muss schon zweimal überlegen, ob man immer nach Vorschrift arbeitet oder eine Familie, die den Grenzübergang passieren will, trennt, weil bei einer Person der Pass abgelaufen ist. Teilweise haben Entscheidungen sogar Auswirkungen, die in der Zeitung am nächsten Tag aufgegriffen werden.

Durch die Bestrafung von Fehlern überlegt man sich auch zweimal, ob man absichtlich jemanden die Grenze überqueren lässt, der eigentlich nicht dürfte. Grob gerechnet muss man jeden Tag mindestens zwölf Personen korrekt kontrollieren, damit man Miete, Heizung und Essen bezahlen kann. Reicht das Geld nicht aus, muss man entweder Heizung oder Nahrung streichen, was sich auf die Gesundheit der Familienmitglieder auswirkt. Eine wissentliche Fehlentscheidung kann sich also auf die eigene Familie auswirken.

Leider kann man deswegen auch nicht einfach die Regeln des Spiels über den Haufen werfen, in dem man einfach alle Menschen einreisen lässt, was bei freien Grenzen ja toll wäre. Das System bestraft einen so stark, dass man so keine zwei Tage weit kommt.

„Papers, Please“ selbst kann man beispielsweise über Steam oder den Humble Store erstehen. Der Preis liegt bei ca. 9 US-Dollar. Das Spiel liegt in verschiedenen Sprachen vor, unter anderem auch Deutsch.

Bericht von der OOP 2014 (Teil 2)

Donnerstag, 06.02.2014

Impact Maps und Story Maps

Am nächsten Morgen ging es mit dem Vortrag „Impact Maps und Story Maps: liefern was wirklich zählt“ von Christian Hassa weiter.

Er stellte eine Möglichkeit vor, dass das Backlog eines Projekts nicht überquillt. Hier nannte Impact Maps, die sichtbar machen sollen, welche Auswirkung ein bestimmtes Feature hat und was man dafür liefern muss. Daneben stellte er noch Story Maps vor, die auch irgendwas können.

Mir war der Vortrag leider viel zu hoch. Wer noch nicht mit User Stories im agilen Umfeld arbeitet, konnte mit dem Vortrag leider nichts anfangen.

Continuous Documentation statt Endless Specification

Der zweite Vortrag „Continuous Documentation statt Endless Specification - den Fokus auf nachhaltige Artefakte legen“ von Susanne Mühlbauer war da schon etwas besser, aber auf ähnlichem Niveau.

Die Referentin stellte zur Diskussion, ob es sinnvoll sei, dass man an vielen Stellen im Projekt mehrfach das Gleiche auf andere Art und Weise dokumentiert. Sie hält Prozess- und Projektdaten (Besprechungsprotokolle, Zwischenergebnisse etc.) für weniger wert als den entstandenen Code oder Designbeschreibung. Dieser Output könnte dann bei einem iterativen Verfahren wie Scrum wieder in die Anforderungsdokumentation wandern, um die Spezifikation zu verbessern.

Als Beispiele für solchen nachhaltigen Artefakte, die man aufheben sollte, zählt Mühlbauer Motivationen und Entscheidungen sowie der grobe Überblick über das Thema. Ebenso ist oft ein Benutzerhandbuch notwendig. Auch beschrieben werden sollten die Schnittstellen und nicht-funktionale Anforderungen, ebenso wie die Testfälle.

Architekt zu werden scheint nicht schwer, Architekt zu sein dagegen sehr

Siemens-Mitarbeiter Michael Stal sprach dann aus, was alle Software-Architekten denken: „Architekt zu werden scheint nicht schwer, Architekt zu sein dagegen sehr“.

Die Architektur ist das Rückgrat des Systems und so sind auch die Architekten wichtig, die dieses pflegen. Oft sind Architekten aber „nur“ normale Entwickler, die dazu ernannt wurden, aber keinerlei sonstigen Erfahrungen dafür mitbringen. Ein Problem ist dabei sicher auch, dass Architekten in manchen Prozessen einfach kein Platz zugeordnet wird.

Am Beispiel der Siemens AG stellte Stal dann die verschiedenen Architekten-Anforderungen und dessen Verantwortungen vor. Neben Design Skills benötigen sie Erfahrung im Requirement Engineering und Teststrategien. Vor allem die Soft Skills sah Stal als extrem wichtig an. Ebenso sollten auch Architekten noch implementieren – etwas, was sehr oft nicht mehr der Fall ist.

Zusätzlich sollte man als Architekt (und in meinen Augen auch allgemein) nicht alles bis ins kleinste Detail vorab spezifizieren, designen und berechnen, sondern lieber einfach etwas ausprobieren und dann nachjustieren, wenn es nicht stimmt. Das erfordert aber Mut.

Gut fand ich auch den Hinweis, dass man als Architekt auf ein guten Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben achten sollte. Mehr als 40 Stunden kann ein Mensch auf die Dauer in einer Woche nicht sinnvoll arbeiten ohne sich kaputt zu machen bzw. ohne dass die Qualität leidet.

Keynote: An Agile Challenge

Die Keynote „An Agile Challenge: Munich Germany Takes On The Columbus Ohio USA Agile Benchmark Study“ war in meinen Augen dann eher wenig erwähnenswert.

Es wurden nur Ergebnisse von ein paar europäischen Firmen vorrgestellt, die an einer Agile-Benchmark-Studie teilgenommen hatten.

Über Freud und Leid der Entwickler beim Schätzen ihrer Aufgaben

Der Vortrag „'Och, nicht schon wieder ...!'; - Über Freud und Leid der Entwickler beim Schätzen ihrer Aufgaben...“ war eigentlich weniger Vortrag als Erfahrungsaustausch.

Die beiden Referenten Paul Herwarth von Bittenfeld und Joachim Seibert teilten den Raum in zwei Gruppen auf, die wiederum in drei Teilgruppen geteilt wurden. Diese drei Teilgruppen sammelten sich dann um drei Fragen an drei Tischen. Jeder sollte sich mit den anderen austauschen und aufschreiben, was 1. die Motivation für Schätzungen ist, 2. welche Störungen es gibt, die Schätzungen zunichte machen können, und 3. welche gute Erfahrungen mit Schätzen gemacht wurde. Die Teilgruppen wanderten dann zum nächsten Tisch weiter und am Ende wurden die erarbeiteten Ergebnisse vorgestellt.

Das ganze bezog sich natürlich auf das Abschätzen in Scrum-Projekten, sodass ich nicht direkt mitreden konnte, dennoch kam Einiges zusammen. Vor allem aus dem Scrum-Umfeld konnte ich so ein paar Begriffe wie „Planning Poker“ oder „Magic Estimation“ aufgreifen (hier grob erklärt).

Mir hat die Veranstaltung sehr gut gefallen, weil man so einmal mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch kam und sich austauschen konnte. Dazu im Fazit mehr …

Keynote: Software Design in the 21st Century

Danach trat Martin Fowler mit seiner Keynote „Software Design in the 21st Century“ an. Martin Fowler ist kein Unbekannter in der Software-Welt und hatte/hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung im Bereich Software-Architektur, Refactoring und Extreme Programming.

Dementsprechend habe ich mich auch auf seinen Vortrag gefreut, der zweigeteilt war. Der erste Teil beschäftigte sich mit den verschiedenen Arten des Refactorings. Neben Test-Driven-Development-Refactoring nannte er auch noch Little-Pickup-Refactoring, Comprehension-Refactoring, Preparatory-Refactoring, Planned Refactoring (im Backlog) und Long-Term-Refactoring.

Martin Fowler zum Thema Refactoring.

Martin Fowler zum Thema Refactoring.

Die guten Gründe, die für Refactoring sprechen, sind: Qualität, sauberer Code, Professionalität und dass es einfach das Richtige ist. Diese Gründe sollte man aber gegenüber den Geldgebern/Projektleitern nie nennen. Besser wäre es, wenn man „Okönomie“ als Grund angibt: Man kann nach dem Refactoring mehr und schneller liefern.

Der zweite Teil befasste sich weniger mit normalen Software-Themen, sondern griff die Nachricht der Keynote von Constanze Kurz vom Vortag mit auf. Fowler betonte, dass wir Entwickler nicht bloß „Code monkeys“ seien, sondern unser Gehirn einschalten sollten. Wir sollten das Richtige und Moralische während unser Arbeit tun. Dazu zählt auch die Privatsphäre der Nutzer zu schützen.

Er verwies dabei auch auf den kommenden Dienstag. Am 11. Februar 2014 ist der Tag, an dem wir zurückschlagen: The Day We Fight Back – Against Mass Surveillance. Martin Fowler rief jeden dazu auf, teilzunehmen, was ich nur unterstützen kann.

Ich hätte nicht mit so einem kritischen Thema auf der OOP gerechnet, bin deswegen aber umso mehr begeistert gewesen. Auch heise hat darüber berichtet.

Agile Softwarearchitektur - 5 Dinge die vom Hype bleiben

Im vorletzten Vortrag ging es um das Thema „Agile Softwarearchitektur - 5 Dinge die vom Hype bleiben“. Stefan Toth erzählte, wie Softwarearchitektur in die agile Welt passt.

Es sind dabei vor allem fünf Dinge, die bleiben: Schlanke Vorarbeit (d.h. nicht totdesignen, bevor man anfängt zu kodieren), gemeinsame Architekturarbeit aller Beteiligten/Entwickler, Architekturanforderungen müssen festgehalten sein, Architektur und Entwicklung verzahnen (iterativ mit Metriken und Tests verifizieren und korrigieren) und Reflexion der Architektur.

Insgesamt war es ein guter und interessanter Vortrag, der dabei half, das Thema Softwarearchitektur im agilen Umfeld korrekt einzuordnen.

SOLID Deconstruction

Den Abschluss – und mein Highlight – bildete der Vortrag SOLID Deconstruction von Kevlin Henney. Ich habe Henney bereits auf der OOP 2012 gehört und freute mich daher auf ihn. Grund war und ist, dass man in seinen Vorträgen Tränen lacht und trotzdem etwas lernt.

Henney nahm die SOLID-Prinzipien auseinander und erklärte zu jedem Prinzip, wo es herkam und was es ursprünglich bedeutete und wieso wir es in der heutigen Zeit manchmal falsch anwenden bzw. falsch verstehen.

Interessant war auch sein Verweis auf das Dreyfus-Modell zum Erwerb von Fähigkeiten, was den Menschen in fünf Typen unterteilt, wie er etwas lernt und aufnimmt. Dementsprechend sollte man auch mit den SOLID-Prinzipien umgehen.

Der Vortrag war wie erwartet sehr erheiternd. Kleinere Anekdoten und ein sehr lockerer Vortragsstil reißen einen einfach mit. Zusätzlich habe ich einiges über SOLID gelernt und kann die Prinzipien (bzw. Henney nennt es lieber Pattern) besser anwenden.

Fazit

Die OOP war wieder sehr gut und ich kann es eigentlich nur jedem empfehlen, der die Möglichkeit hat, dort hinzugehen, es mindestens einmal zu versuchen. Das Programm ist so riesig, dass für jeden etwas dabei ist. Daneben kann man auch viele Kontakte knüpfen …

… wenn die Raumgröße nicht wäre. In jedem Vortrag gab es das gleiche Bild: Zwischen je zwei Zuhörern war ein Platz frei. Immer! Ausnahme: Zwei Entwickler kamen gemeinsam durch die Tür herein und gehörten zusammen. Auch während der Pausen blieben die meisten (wenn sie nicht Teil einer Gruppe waren) für sich. Ich bin unsicher, wieso das so war, aber es fanden so nur wenige Gespräche statt. Einzig bei den Gruppenarbeiten in den Vorträgen (was bei mir nur zwei waren), wurde das Eis gebrochen und die Gespräche fingen an.

Interessant waren auch die Ausstellungen im unteren Bereich der Halle. Siemens stellte beispielsweise ein 1:2-Modell des Mars Rover aus. Und beim Carl-Hanser-Verlag konnte ich mit den Leuten reden, deren Bücher ich ab und zu lese.

Das Mars-Rover-Modell am Siemens-Stand.

Das Mars-Rover-Modell am Siemens-Stand.

Bilder gibt es im Übrigen beim Veranstalter, wer ein paar Impressionen sehen will.

Bericht von der OOP 2014 (Teil 1)

Jedes Jahr findet in München die OOP statt, eine Messe, auf der viel über Software-Architektur, Agilität und Management gesprochen wird. Dieses Jahr waren mehr als 150 Referenten vor Ort und haben über 1800 Konferenz-Teilnehmer unterhalten. Mich am Mittwoch und Donnerstag ebenfalls.

Eingang zur Messe.

Eingang zur Messe.

Mittwoch, 05.02.2014

OOA, IOC, ROI, SQL - Was passt nicht?

Der erste Vortrag war „OOA, IOC, ROI, SQL - Was passt nicht? Eine Erzählung von Betriebswirtschaft und Software-Entwicklung“. Hier ging es speziell um den Return of Invest (ROI), für den sich das Management in einer Firma meist interessiert.

Anhand eines Beispiel, bei dem es darum ging, ob man ein Stück Code mit einer Factory und DIP refaktorisiert, wollte Michael Mahlberg zeigen, ob es sich lohnt, dies so umzusetzen. Wichtig für ihn war, nicht die absoluten Zahlen zu sehen, sondern immer die Investierung betrachtet über die Zeit (also inkl. Zinssatz). Ich gebe zu, dass ich das nicht alles verstanden habe.

In kleinen Gruppenarbeiten sollten dann andere Fälle wie „Make or Buy“, „Serviceaustausch“ oder „Flat-File vs. Datenbank” besprochen werden. Da wir viel zu viele Teilnehmer waren (ca. 50) teilten sich diese also auf drei Gruppen auf, in der aber nur wenige etwas zum Ergebnis beitrugen. Heraus kam auf alle Fälle, dass es wesentlich leichter ist, die Kostenseite für eine Software-Änderung aufzuschreiben als die Nutzenseite.

Architectural Refactoring

Der zweite Vortrag war „Architectural Refactoring - agile Umsetzung von Modernisierungsentscheidungen“. Unter Architectural Refactoring versteht Referent Olaf Zimmermann, dass man eine zuvor getroffene architekturelle Entscheidung ändert.

In der Regel ist dies nicht einfach, da es mit einer Strukturänderung im Design, Neuimplementierung und Dokumentation verbunden ist. Oftmals liegen vorher getroffenen Entscheidungen nicht einmal vor, was die Sache noch mehr erschwert.

Als Beispiel hat er ein Y-Template vorgestellt, mit dem man festhalten kann, welcher Anwendungsfall unter bestimmten nicht-funktionalen Anforderungen zu einer Entscheidung führt und andere Entscheidungen weglässt, sodass ein bestimmtes Ziel erreicht wird unter Beachtung ggf. negativer Konsequenzen. Festgehalten werden soll das Ganz durch das „ARC Metamodel“, was aber derzeit noch entwickelt wird.

Keynote: Agile Skalierung – Prinzipien statt Blaupause

Die Keynote „Agile Skalierung – Prinzipien statt Blaupause“ von Stefan Roock und Hennig Wolf war sehr interessant.

Die beiden Trainer von it-agile zeigten als Beispiel, dass ein agiles Pilotprojekt auf eine ganze Firma ausgewälzt werden soll. Hier hilft dann keine generische Blaupause, nach der alles umgestellt wird. Ein Überstülpen eines neuen agilen Entwicklungsprozesses von oben bringt nichts, sondern der Kulturwandel muss von unten, von den Mitarbeitern kommen. Verschiedene Prinzipien wie direkte Kommunikation, kein Zielzustand vorgeben sowie beobachten und anpassen sind dabei ganz wichtig, damit so eine Änderung ein Erfolg wird.

Imposing Rule-Based Architecture on Legacy Systems

Der Vortrag „Imposing Rule-Based Architecture on Legacy Systems“ von Michael Feathers sollte den Umgang mit Legacy-Systemen zeigen.

Neben der Darstellung einer einfachen Struktur stellte er einige Mittel vor, wie man Verletzungen der Architekturregeln darstellen kann. Zusätzlich war es wichtig, den Fortschritt wie auch immer zu messen.

Ein schönes Zitat von Kent Beck im Vortrag war: „Wenn du dein System nicht mit vier Objekten oder weniger beschreiben kannst, hast Du keine Architektur.” Das kann man als übertrieben ansehen, aber es soll klar machen, dass jede Art von Architektur zumindest als grobes Konzept leicht verständlich sein muss. (Als Beispiel hat Michael Feathers im Übrigen das Testframework JUnit mit nur zwei Klassen beschrieben.)

Die Vortragsfolien sind leider nicht so gut, da diese oft nur die Überschrift enthalten und der Rest auf der Tonspur kam, was die Zusammenfassung auch etwas erschwert.

Keynote: Mastering the Internet

Überrascht hat mich die Keynote „Mastering the Internet“ von Constanze Kurz. Die Sprecherin des Chaos Computer Club ist vielen sicher bekannt, man würde sie aber nicht auf OOP erwarten.

Das Thema ihres Vortrags war recht aktuell, da es um die Enthüllung von Edward Snowden ging, vor allem eben Prism und die anderen Überwachungsaktivitäten des us-amerikanischen und britischen Geheimdienstes.

Als Open-Source-Aktivist (und Mitglied bei der EFF und FSFE) bin ich dem Thema sehr verbunden und habe mich gefreut, dass Constanze Kurz das den OOP-Teilnehmern noch einmal klar gemacht hat. Interessanterweise blieb sie nicht die einzige …

CCC-Sprecherin Constanze Kurz.

CCC-Sprecherin Constanze Kurz.

Modernisierung von zentralen Frameworks

Anatole Tresch von der Schweizer Bank Credit Suisse zeigte im Vortrag „Modernisierung von zentralen Frameworks - ein Erfahrungsbereicht“, wie einen Java-Framework, was in der Bank benutzt wird, in mehreren Jahren modernisiert wurde.

Grund für die Modernisierung (Refactoring) waren die üblichen Probleme wie erhöhte Wartungszeit und eine zu komplexe API. Das mittelgroße System mit 17.000 Codezeilen hatte Zyklen, eine hohe Kopplung und zahlreiche große Klassen. Als Ziele gab man sich vor robust zu sein, die Wartbarkeit und Laufzeit sollte verbessert werden, daneben wollte man aber auch kompatibel bleiben.

Hier sollte jedem klar sein, dass das eigentlich nicht alles machbar ist. Angeblich wurde aber eine Performancesteigerung von Faktor 100 herausgeholt. Gleichzeitig wurde das System entkoppelt und vereinfacht, was ich mir nicht so richtig vorstellen kann. Kompatibel ist man aber nicht geblieben, was aber kein Problem war, da die Kunden ja wiederum in der Bank saßen und man so direkten Kontakt zu ihnen halten konnte.

What If? - An Exploration of What's Possible, What's Not and Why?

In der Abendschule von 18:30 Uhr bis 20 Uhr gab es dann den letzten Vortrag „What If? - An Exploration of What's Possible, What's Not and Why?“ von David Hussmann. Einige Vorträge gibt es auch auf seiner Firmen-Webseite Devjam.

Sehr unterhaltsam hat David Hussmann erklärt, dass die Leitsprüche „certification over education“ und „process over product“ eher schaden als nützen. Die Änderungen müssen aus dem Team heraus kommen und von ihm angenommen werden. Zusätzlich muss Platz für Anpassungen und Veränderungen sein.

Das heißt, wenn der Prozess nicht passt, egal ob Scrum, Kanban oder was anderes, dann muss man ihn anpassen. Und wenn man dann eben eben nicht mehr nach Lehrbuch arbeitet, dann ist das einfach so. Wenn es dem Team und dem Projekt hilft, ist das in Ordnung.

Mir hat an dem Vortrag gefallen, dass eben nicht so sehr auf Regeln gepocht wird. An vielen Stellen hört man immer wieder: „Was, ihr macht Scrum und habt kein ordentliches Backlog? Wie könnt ihr nur?“ Ich hoffe, dass sich dieses Denken der Freiheit und Anpassbarkeit noch weiter herumspricht.

Etwas enttäuscht war ich nur von dem Begriff Abendschule (Night school). Ich hatte mir darunter eine lockerere Atmosphäre und Gespräche vorgestellt. Effektiv war es aber wie die normalen Vorträge – nur eben spät abends … und recht teuer.

PRISM: NSA-Überwachungsprogramm der USA

Wer hätte das gedacht? Die USA greift die Daten der großen Datensammeldienste ab und verwertet diese. Dass dabei natürlich auch die Daten von Nicht-US-Bürgern gesammelt werden, ist vollkommen natürlich.

Ein bisschen kann ich das Geschrei natürlich nachvollziehen, was jetzt entsteht. Auf der anderen Seite ist es aber vollkommen normal, schließlich machen wir in Deutschland nichts anderes. Natürlich ist die Dimension in den USA etwas größer und die Dienste der US-Firmen wie Apple, Google, Microsoft und Facebook werden eben weltweit genutzt.

Insgesamt zeigt dies aber wieder, dass man stark überlegen sollte, was man an Daten wo einstellt. Wichtig ist vielleicht auch, dass irgendwelche Privatsphärenschutzeinstellungen (uh, das ist ein schönes deutsches Wort) bei Facebook z.B. keinerlei Relevanz haben. Facebook als Firma hat natürlich auf alles Zugriff und damit auch die NSA.

Verfassungsbeschwerde gegen die Bestandsdatenauskunft

Auf der Seite computerbetrug.de findet man eine gute Übersicht über das neue Bestandsdatenauskunftgesetz, was kürzlich vom Bundestag beschlossen und vom Bundesrat abgesegnet wurde. In dem Gesetz wird geregelt, wer alles auf Bestandsdaten Zugriff bekommt.

In der Netzgemeinde ist der Aufschrei wieder groß, weil die Regierung den Behörden den Zugriff auf persönliche Daten schon sehr einfach macht. Aus dem Grund gibt es auf der Seite stopp-bda.de einen Aufruf zur Verfassungsbeschwerde. Hauptbeschwerdeführer sind die beiden Piraten Patrick Beyer und Katharina Nocun, die vom Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik vertreten werden.

Zur Teilnahme muss man nur ein Formular ausfüllen, ein PDF ausdrucken, unterschreiben und an RA Starostik schicken. Die Unterschriften werden vermutlich bis zum 1. Juli 2013 gesammelt, da erst mit Inkrafttreten des Gesetzes eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann. Siehe hierzu auch die FAQ.

Heute: Day against DRM

Ich habe es gar nicht mitbekommen, aber heute ist der „Day against DRM“. Ausgerufen wurde dieser von Defective by Design, da derzeit vom World Wide Web Consortium (W3C) darüber abgestimmt wird, ob Digitales Rechtemanagement (DRM) in den HTML5-Standard einfließen soll oder nicht. Viele sehen dies als Problem, weil es die Rechte der Nutzer unnötig beschränken könnte (bzw. wird, wenn es einmal da ist).

DRM ist auch der Grund, wieso ich mit meinem tollen E-Book-Reader bisher nur wenig gelesen habe. So gut wie kaum ein deutscher Buchshop bietet DRM-freie Bücher an. Diese sind dann meist auch noch mit Adobe DRM verbunden, wofür man Adobe Digital Editions benötigt, ehe man das Buch lesen kann. Das Programm wiederum läuft nicht unter Linux, womit ich effektiv von der Nutzung von DRM-geschützten Büchern ausgeschlossen werde. (Neben dem E-Book-Reader-Review plane ich auch einen Artikel zu diesem Thema … irgendwann.) Grund für die Gängelung sind im Übrigen die Verlage, nicht die Händler. Die müssen es nur ausbaden.

Umso mehr freut es mich, dass sich einige Verlage wie z.B. O'Reilly dagegen stellen und auch beim „Day against DRM“ mitmachen. Im englischen O'Reilly-Shop kann man heute (und wirklich nur noch heute) zahlreiche Technikbücher (Programmiersprachen, Android, Raspberry Pi ...) als DRM-freies E-Book zum halben Preis ergattern. (Hinweis: Soweit ich das sehe, sind O'Reilly-Bücher immer DRM-frei, nicht nur heute! Das gilt auch für die deutschen Bücher.)

Ich habe mir gerade „Think Like a Programmer“ besorgt, da ich das Buch sowieso einmal lesen wollte. Bezahlen kann man im Übrigen mit PayPal (nicht so toll, aber besser als Kreditkarte) und die Bücher gibt es dann nach einem Klick als EPUB, PDF und MOBI. Komplett ohne DRM! Mein E-Book-Reader freut sich. :)

Petition zur Abschaffung der GEZ

Bereits seit Oktober 2012 läuft eine Online-Petition zur Abschaffung der GEZ. Bis zum 2. April 2013 will man 100.000 digitale Unterschriften gesammelt haben, derzeit fehlen noch knapp 2000 Stimmen.

Ich selbst sehe die GEZ-Gebühren auch als ziemlich unfair an, da man für etwas bezahlen muss, was man nicht nutzt oder ggf. gar nicht nutzen kann, weil die notwendigen Voraussetzungen (TV-Gerät) fehlen. Für mich wirkt dies auch wie eine Steuer, die jeder zahlen muss. Zusätzlich sind die Gebühren im Vergleich für das Geleistete viel zu hoch.